Stand: 20.09.2018 17:25 Uhr

"Wir wollen Frieden" - Ehemalige Kirche wird Moschee

von Susanne Röhse

Das Aufsehen war groß, als die Al-Nour-Gemeinde vor sechs Jahren die ehemalige evangelische Kapernaumkirche in Hamburg-Horn kaufte. Dabei werden immer mehr christliche Kirchen anders genutzt. Und: die Kapernaumkirche war bereits 2002 entwidmet worden. Doch es kommt bisher nur selten vor, dass ein christliches Gotteshaus in eine Moschee umgewandelt wird. Fünf Jahre dauerte der Umbau, nun wird die Al-Nour-Moschee am Mittwoch in Hamburg eröffnet.

Statt eines goldenen Kreuzes ziert nun ein goldener Halbmond die Turmspitze. Die ehemalige Kapernaumkirche - sie bleibt ein Gotteshaus. Von außen sieht sie noch immer aus wie eine Kirche, innen aber wie eine Moschee.

2012 unterschrieb der Vorsitzende der Al-Nour-Gemeinde Daniel Abdin den Kaufvertrag. "Seit dem Tag, an dem ich den Kaufvertrag unterschrieben habe für dieses Gebäude, ist dieses Gebäude eine Moschee", sagt Abdin. "Weil ich oder wir es mit der Absicht gekauft haben, dass es eine Moschee ist. Es ist jetzt schon eine Moschee."

Aus der Tiefgarage in ein repräsentatives Gotteshaus

Sieben Jahre lang hatte die Gemeinde zuvor ein geeignetes Gebäude oder Grundstück für eine neue Moschee gesucht. Denn in St. Georg, wo sie seit 1993 zu Hause ist, sind, so Daniel Abdin, die Räumlichkeiten längst zu eng: "In St. Georg besuchen uns zur Zeit dreieinhalbtausend Menschen zum Freitagsgebet, und wir beten dort in zwei Schichten, damit die Leute auch reinpassen in die Moschee."

Die Moschee in St. Georg befindet sich in einer Tiefgarage - dort ist es dunkel, feucht und wenig einladend. Kein Vergleich zur neuen Moschee in Hamburg-Horn. Hier führt Daniel Abdin seine Gäste gerne herum: "Die Fenstermosaiken sind da, die stehen unter Denkmalschutz, das macht auch das Gebäude aus. Es ist einfach ein wunderschöner Anblick und von der Architektur her großartig."

Kein Muezzin-Ruf: Der Turm ist reine Zierde

Daniel Abdin, Vorstandsvorsitzender der Al-Nour Moschee, referiert am "Tag der Offenen Moschee" in der ehemaligen evangelischen Kapernaum Kirche © picture alliance / dpa Foto: Markus Scholz
Die Al-Nour-Gemeinde hat sich immer schon im interreligiösen Dialog engagiert. Am Tag der Offenen Moschee 2017 stellte Daniel Abdin in der ehemaligen evangelischen Kapernaum-Kirche die Pläne seiner Gemeinde vor.

Im Vorraum, dort wo die Gläubigen die Schuhe ausziehen, ziert eine schwungvoll - mit lila Tinte geschriebene arabische Kalligraphie die weiße Wand: "Tritt in Frieden ein" - übersetzt Daniel Abdin, bevor er den mit einem dicken roten Teppich ausgelegten Gebetsraum betritt:

"Wir haben es bei der Auswahl der Materialien, wie etwa bei den Kalligraphien, dezent gemacht", erklärt der Vorsitzende der Al-Nour-Gemeinde. "Die Farben haben wir so ausgewählt, dass das alles auch harmonisch mit den Fensterfarben passt. Und alles einfach nicht so pompös und nicht so viel. Ich denke, weniger ist mehr und wichtig ist, dass der Raum seine Würde bewahrt und das Ganze miteinander harmoniert."

Die alte christliche Kanzel existiert nicht mehr. Die Kanzel des Imam steht auf der rechten Seite - gegenüber ist eine Empore angebracht. Dort oben beten die Frauen. Auch andere Räumlichkeiten befinden sich im 2. Stock. Die Waschräume sind im ehemaligen Kirchturm untergebracht. Der Turm sei eine reine Zierde, so Abdin, es werde keine Rufe des Muezzins oder ähnliches geben. "Wir wollen nicht spalten oder provozieren, wir wollen Frieden. Und Sie wissen, wir leben in einer Gesellschaft, wo man sich gestört fühlt, wenn ein Kindergarten nebenan ist - ganz zu schweigen von einem Muezzin."

Die Al-Nour Moschee – auch ein Zentrum für Begegnungen

Inzwischen ist der neue Nachbar - die Al-Nour-Moscheegemeinde - im Stadtteil akzeptiert. Zuletzt haben sie viel Anteilnahme erfahren, als Unbekannte Anfang dieses Monats Naziparolen an die frisch gestrichenen Außenwände geschmiert hatten, erzählt Abdin. Das hat uns den Rücken gestärkt, sagt er. Die gute Nachbarschaft ist ihm wichtig. 500 Menschen können hierher zum Gebet kommen, werden es mehr, müsse man sich Gedanken machen.  "Wir werden schauen, ob wir zwei Freitagsgebete hintereinander machen können, so dass die Menschen tatsächlich da drin sind und nicht auf der Straße. Weil hier geht das nicht, das ist nicht das Bild von Horn. In St. Georg ist das anders, da beten oft Menschen vor der Moschee. Das muss hier nicht sein, das wollen wir auch nicht."

Wenn möglich soll der Gebetsraum in der Tiefgarage in St. Georg erhalten bleiben. Dort werden weiterhin die meisten Gemeindemitglieder zum Freitagsgebet kommen, glaubt Abdin. Einfach schon deshalb, weil sie das verbinden können mit einem Einkauf oder Restaurantbesuch auf dem quirligen Steindamm. Hier in Hamburg-Horn soll die Moschee ein Zentrum für Begegnungen werden, so wünscht es sich Daniel Abdin.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 21.09.2018 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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