Vorbeter und Brückenbauer - Alltag eines Hamburger Imams
Seit vielen Jahren gibt es den "Tag der offenen Moschee" in Deutschland. Doch die meisten Nicht-Muslime haben noch nie eine Moschee-Gemeinde von innen gesehen. Und sie wissen auch nur wenig über die Imame, also die muslimischen Geistlichen, und ihren Alltag. Samir El-Rajab ist Imam der Hamburger Al-Nour Moschee.
Freitagnachmittag. Eine offene Tür in einer Seitenstraße vom Steindamm zwischen Handyshop und Tiefgarageneinfahrt. Einige Stufen abwärts wurde ein Teil der Garage zum Gebetsraum umfunktioniert. Am Ende des schmalen Raums sitzt der Imam in der Gebetsnische. Die zahlreichen Ventilatoren an der Decke sorgen für etwas Luft. Es ist trotzdem stickig und sehr warm, der Raum ist voll mit Menschen. Gleich hält der Imam, Scheikh Samir El-Rajab, seine Predigt, die Khutba.
Eigentlich ist die Khutba eine wöchentliche Lehrstunde. Und die Rolle des Imams ist, die aktuellen Probleme aufzunehmen, kurz zu erklären und Handlungsvorschläge für Muslime anzubieten, wie sie sich für die Gesellschaft, für die Familie oder für sich selber einsetzen können. Samir El-Rajab
Lange Suche nach dem geeigeten Imam
Die Gemeinde hatte lange nach einem geeigneten Imam, also einem Vorbeter, gesucht. Der Vorstand der Al-Nour Moschee bemühte sich sehr um Scheikh Samir El-Rajab. Denn als Absolvent der theologischen Fakultät von Beirut genießt er hohes Ansehen. Der Scheikh, was so viel bedeutet wie "Gelehrter", ist in einer religiösen Familie aufgewachsen.
Eigentlich liegt der wahre Grund für meine Ausbildung in meiner Erziehung. Mein Großvater bekam immer Besuch von angesehenen Gelehrten und gemeinsam haben sie den Menschen Lehrstunden und Ratschläge geben. Dort dabei gewesen zu sein, war für mich ein großes Privileg. Und es liegt mir, zu unterrichten und zu erziehen. Und deswegen habe ich dieses Studium abgeschlossen. Samir El-Rajab
Ein Gelehrter mit viel Feingefühl
Sehr viel Feingefühl braucht der warmherzige Imam für seine Gemeinde. Die Mitglieder kommen aus mehr als 30 Nationen. Immer wieder wird er angesprochen und um Rat gefragt. Nicht nur in religiösen Angelegenheiten, sondern auch bei Eheproblemen oder familiären Auseinandersetzungen. Obwohl Scheikh Samir El-Rajab kaum noch Zeit für sich und seine Familie hat, fühlt er sich in Hamburg sehr wohl. Das war nicht immer so:
Es war ein Schock… Als ich kam, war es Winter und es war dunkel. Ich habe mir vorgestellt, ich komme in ein Land, das im Libanon und der Welt berühmt ist für seinen hohen Entwicklungsstandard. In eine schöne Moschee, nicht unter der Erde, sondern über der Erde. Samir El-Rajab
Samir El-Rajab wollte direkt zurück in den Libanon, ließ sich dann aber doch überreden zu bleiben. Rund 16 Jahre ist das her. Als im vergangenen Herbst viele Muslime auf der Flucht in Hamburg strandeten, verdoppelte sich die Zahl der Gemeindemitglieder. Zum Freitagsgebet passen längst nicht mehr alle in die Tiefgaragenmoschee. Daher wird der Gottesdienst in zwei Schichten abgehalten. Der Imam ist rund um die Uhr im Einsatz. Unterstützt von zahlreichen Ehrenamtlichen, die sich unter anderem um die Flüchtlinge kümmern, um Bildung, Moscheeführungen oder Öffentlichkeitsarbeit. Und dann ist da noch der Umbau der entwidmeten Kapernaumkirche im Hamburger Stadtteil Horn.
Die Al-Nour Gemeinde zieht bald um
Das frühere evangelische Gotteshaus stand lange leer, bis es vor etwa vier Jahren von der Al-Nour Moschee-Gemeinde gekauft wurde. Das Kreuz auf dem Kirchturm wurde bereits gegen einen goldenen arabischen Schriftzug mit dem Namen Gottes - Allah - ausgetauscht. Nicht alle waren mit der Entscheidung glücklich, eine Kirche in eine Moschee umzuwandeln. Doch inzwischen konnten die meisten Bedenken ausgeräumt werden.
Unser erstes Ziel ist, die neue Al-Nour Moschee fertig zu stellen. Aber damit hört es nicht auf. Denn unsere muslimische Gemeinde hat viele Bedürfnisse, speziell bei der Erziehung und Ausbildung. Aber zunächst beenden wir das Projekt, den Moschee-Umbau, und danach machen wir uns Gedanken über die nächsten Schritte. Samir El-Rajab
