Zeitreise: Das Sterben der Haubarge

Stand: 07.03.2024 15:20 Uhr

Früher waren sie die prägenden Gebäude Eiderstedts. Heute kann kaum noch jemand einen Haubarg unterhalten. Ein Pastor erkannte schon früh den Todeskampf der mächtigen Bauernhäuser.

von Thomas Kahlcke

Hans-Georg Hostrup blickt mit Sorge auf sein Dach. Als er in den 80er-Jahren den Blumenhof nahe Tating (Kreis Nordfriesland) erbte, sanierte er den Haubarg aufwendig. Jetzt, nach 35 Jahren ist absehbar: Das 1.400 Quadratmeter große Reetdach muss in einigen Jahren erneuert werden. Kosten: bis zu 250.000 Euro.

Früher 400 Haubarge

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Der Haubarg "Blumenhof" ist heute ein eingetragenes Kulturdenkmal.

Die gigantischen Dächer sind typisch für die Haubarge auf Eiderstedt. Einst bargen sie Heu und Korn, Tier und Mensch. Die Bauern auf der fruchtbaren Halbinsel waren wohlhabend. Sie konnten sich die sündhaft teuren Riesenbauten leisten. 400 Haubarge gab es auf Eiderstedt. Um 1900 aber änderte sich die Landwirtschaft: Die großen Gebäude wurden kaum noch gebraucht. Viele begannen zu verfallen.

Ein heimatverbundener Pastor

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Rudolf Muuß schrieb in den 1920er-Jahren über die Eiderstedter Haubarge ein Buch, das erst 92 Jahre später veröffentlicht wurde.

Rudolf Muuß, ab 1920 Pastor in Tating, erkannte damals, dass ein wertvolles Kulturgut zu verschwinden drohte. Er machte sich daran, gemeinsam mit einem Ingenieur sämtliche Haubarge Eiderstedts zu vermessen, zu beschreiben und zu fotografieren. Zehn Jahre lang arbeitete der heimatverbundene Pastor an einem Buch, das der Nachwelt die Vielfalt der Eiderstedter Haubarge vor Augen führen sollte.

Veröffentlichung nach 92 Jahren

Doch es kam anders. Weil sein Kompagnon ohne Muuß' Wissen vorab ein eigenes Werk veröffentlichte, zog der Pastor sein fast fertiges Buch zurück. Erst 92 Jahre später bringt die "Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland und Dithmarschen" mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg Hostrup das Buch heraus. Viele der Fotos darin zeigen Haubarge, die es heute längst nicht mehr gibt. Es sind einmalige Dokumente des einstigen Wohlstands der Eiderstedter Bauern.

Schwieriger Erhalt

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Hans-Georg Hostrup besitzt in fünfter Generation den Haubarg "Blumenhof" in der Nähe von Tating.

Hans-Georg Hostrup dagegen, in fünfter Generation Herr auf dem Blumenhof, muss den Erhalt seines Haubargs durch die Vermietung der drei Ferienwohnungen finanzieren, die er eingebaut hat. Die Instandhaltung des traditionsreichen Erbstücks ist ihm wichtig: "Wenn man hier abends die freie Sicht in die Landschaft genießt", sagt Hostrup, "das entschädigt einen für einiges, was man hier an Kraft und Mühe und Geld reinsteckt".

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 10.03.2024 | 19:30 Uhr

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