Stutthof-Prozess: Keine Anklage in ähnlichem Verfahren
Nächte Runde im Prozess gegen eine ehemalige Sekretärin des KZ Stutthof bei Danzig (Polen). Sie ist wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen angeklagt. Nun wurde ein Ex-LKA-Beamter vernommen.
Vor dem Landgericht Itzehoe wurde am Dienstag der ehemalige Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg gehört. Der pensionierte Beamte hatte 2016 und 2017 eine andere ehemalige Schreibkraft des Konzentrationslagers zu einem ähnlichen Ermittlungsfall vernommen. Die Beschuldigte hatte zur gleichen Zeit wie die derzeit Angeklagte Irmgard F. in einer anderen Abteilung in Stutthof als Schreibkraft gearbeitet. Sie stritt damals bei den Befragungen ab, von dem systematischen Mord der über 11.000 Gefangenen gewusst zu haben. Bei geheimen Sachen habe sie ihren Platz in der Fernschreibstelle verlassen müssen.
Staatsanwaltschaft stellte 2018 Verfahren ein
In Itzehoe sagte der ehemalige LKA-Beamte, der jahrelang gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher ermittelt hatte: "Sie hat sicherlich gewusst, was dort im Konzentrationslager passierte, aber wir hatten keine Beweise." Zumindest nicht genug, die zu einer Anklage gereicht hätten. Der 63-Jährige wies darauf hin, dass die Mordmerkmale der Grausamkeit und Heimtücke erfüllt sein müssten. Er habe angeregt, das Verfahren einzustellen. Dem kam die Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2018 nach.
Unterschiedliche Auffassung von Verteidigung und Nebenklage
Wolf Molkentin, der Verteidiger der momentan angeklagten 97-jährigen Irmgard F., die von 1943 bis 1945 in Stutthof als Schreibkraft der Kommandatur gearbeitet hatte, verwies auf die unterschiedlichen Bewertungen der Fälle: "Entscheidend ist, dass es auch Staatsanwaltschaften gibt, in diesem Fall in Stuttgart, die in einem wirklich sehr vergleichbaren Fall zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommt." Während das Verfahren gegen die Frau aus Baden-Württemberg eingestellt wurde, muss sich seine Mandantin als erste Zivilangestellte eines KZs für die Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen verantworten. Dabei würden Belege aus dem KZ fehlen, die dies bewiesen würden. Die Annahme, dass eine Sekretärin von den Verbrechen gewusst haben müsse, reiche juristisch nicht.
Dem entgegnete Christoph Rückel, ein Vertreter der Nebenklage, dass es in dem anderen Fall erhebliche Versäumnisse in der Ermittlungsarbeit gegeben habe. So habe der LKA-Beamte 2017 gesagt, man könne nicht nach Stutthof fahren, um zu gucken, was da los war. "Das ist ein Hohn. Das ist mal wieder ein Beweis, wie schlampig ermittelt wird. Man hätte da weiter ermitteln müssen", sagte Rückel.