Northvolt im Insolvenzverfahren: Chef Peter Carlsson tritt zurück

Stand: 22.11.2024 19:45 Uhr

Der angeschlagene schwedische Batteriehersteller Northvolt hat eine Sanierung nach US-Konkursrecht beantragt. Mitbegründer Peter Carlsson tritt als CEO zurück. Der Bau der Fabrik bei Heide soll unterdessen weitergehen.

Das Unternehmen braucht kurzfristig zusätzliches Geld, um die Ausgaben bezahlen zu können. Ein geplantes Rettungspaket kam offenbar nicht zustande. Deshalb greift Northvolt jetzt auf eine Regel des amerikanischen Insolvenzrechts zurück: Beim sogenannten Chapter-11-Verfahren haben Firmen in der Krise die Möglichkeit, ihre Finanzen neu zu ordnen und das Unternehmen im besten Fall zu retten. "Diese freiwillige Maßnahme hilft dem Unternehmen dabei, seine Schulden umzustrukturieren, das Geschäft auf Basis der aktuellen Kundenbedürfnisse anzupassen und eine Wachstumsperspektive zu schaffen", teilte Northvolt am Donnerstagabend mit. Am Freitagmorgen gab Mitgründer Peter Carlsson bekannt, dass er seinen Chefposten bei Northvolt aufgibt.

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Die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika weht im Wind. © picture alliance / CTK | Richard Mundl

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Peter Carlsson bleibt Berater

Northvolt sei für ihn wie ein Baby gewesen, sagte Carlsson. "Für mich persönlich ist das ein emotionaler Tag", sagte der frühere Tesla-Manager. Northvolt erklärte, der 54-Jährige bleibe im Aufsichtsrat des Unternehmens und fungiere als führender Berater. "Im Rückblick waren wir überehrgeizig, was das Timing angeht", sagte Carlsson. Die Suche nach einem neuen Vorstandschef laufe bereits.

Die europäische Batteriezellindustrie befindet sich insgesamt in einer herausfordernden Lage. Northvolt will dem mit seiner strategischen Neuausrichtung gerecht werden. Christofer Haux, CEO Northvolt Germany (laut Mitteilung)

Gläubigerschutz in den USA

Die Gesetze in den USA erlauben es auch Unternehmen, die dort lediglich eine Niederlassung haben, ein Insolvenzverfahren in Amerika zu beantragen. In diesem Jahr hatte bereits die schwedische Fluggesellschaft SAS ein Chapter-11-Verfahren in Eigenverwaltung durchlaufen. Eine Insolvenz am Hauptsitz in Schweden hingegen würde zum Beispiel den Einsatz eines Insolvenzverwalters vorschreiben. Das Sanierungsverfahren nach Chapter 11 schützt Northvolt für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger und erleichtert damit den finanziellen Neustart. Außerdem kann das operative Geschäft, unter anderem am ersten Werk in Skellefteå, laut Northvolt normal weiterlaufen. "Ziel ist es, das Unternehmen widerstandsfähiger zu machen und langfristig profitabel fortzuführen, während die laufenden Geschäftstätigkeiten erhalten bleiben", heißt es in der Mitteilung von Northvolt.

Produktion bei Northvolt Drei startet später

Trotz der wirtschaftlichen Probleme geht der Bau der Northvolt-Gigafactory bei Heide (Kreis Dithmarschen) weiter. Die deutsche Tochtergesellschaft von Northvolt werde unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert, teilte Northvolt mit: "Sie ist nicht Teil des Chapter 11-Verfahrens. Das Bauvorhaben bei Heide ist und bleibt ein strategischer Grundpfeiler von Northvolt". Und Deutschland-Chef Christofer Haux ergänzte: "Der Standort genießt höchste Priorität."

Mehrere Personen drücken gleichzeitig auf einen Buzzer, u.a. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther und der CEO der Firma Northvolt, Peter Carlsson. © Screenshot
Im März war offizieller Baustart auf dem Gelände in der Nähe von Heide (Kreis Dithmarschen).

Der Bau bei Heide liege nach Angaben von Northvolt in dem Zeitplan, der gemeinsam mit der Bundes- und der Landesregierung festgelegt sei. Allerdings soll die Produktion dort später starten als geplant - erst in der zweiten Jahreshälfte 2027. Ursprünglich war die erste Montage der ersten Batteriezellen in Dithmarschen für Ende 2026 vorgesehen. "Die Zeitleiste berücksichtigt aktuelle Marktbedingungen und Kundenanforderungen", so das Unternehmen.

Batteriefabrik bei Heide zunächst ohne Fördermittel

Das Unternehmen galt als Hoffnungsträger für den Aufbau einer Batteriezellproduktion für Elektroautos in Europa, mit dem ein Gegengewicht zur Übermacht der asiatischen Unternehmen geschaffen werden sollte. Land und Bund stellten Fördergelder von rund 700 Millionen Euro bereit. Bisher wurden diese Gelder noch nicht ausgezahlt. "Northvolt Germany wird, solange die Restrukturierung der Muttergesellschaft andauert, auch weiterhin keine Mittel abrufen", verspricht das Unternehmen.

600 Millionen Euro: Wandelanleihe in Gefahr?

Die direkten Fördermittel sind laut Land, Bund und Unternehmen noch nicht überwiesen - eine sogenannte Wandelanleihe der staatlichen Förderbank KFW allerdings schon: 600 Millionen Euro. Land und Bund sichern diese Anleihe jeweils zur Hälfte ab. "Das Geld der Wandelanleihen liegt auf deutschen Konten und wird in Abstimmung mit der KFW für den Bau der Batteriefabrik in Heide genutzt", teilte Northvolt auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mit. Ob und welche Risiken für Bund und Land bestehen, werde "eingehend mit dem Bund besprochen und bewertet", teilte Staatskanzlei-Chef Dirk Schrödter mit. "Über die Risikoposition des Bundes und des Landes hinsichtlich der Wandelanleihe kann somit derzeit noch keine Aussage getroffen werden." Ihm zufolge sei es denkbar, dass die Sanierung im Chapter-11-Verfahren "vertragliche Anpassungen bestehender Schuldverhältnisse und/oder einen Verzicht auf Ansprüche beinhaltet". Im schlimmsten Fall haftet das Land mit 300 Millionen Euro.

Gericht in Texas begleitet das Verfahren

Den Antrag für das Sanierungsverfahren stellte Northvolt am zuständigen Insolvenzgericht von Houston im US-Bundesstaat Texas. Unter der Aufsicht eines Konkursrichters kann das Unternehmen die Geschäfte zunächst weiter betreiben. In den Unterlagen an das Gericht gibt Northvolt an, derzeit nur noch über flüssige Mittel von 30 Millionen Dollar zu verfügen. Das reiche den Angaben nach gerade noch für eine Woche. Zugleich liege der Schuldenberg inzwischen bei 5,8 Milliarden Dollar.

Carlsson: Northvolt benötigt mehr als eine Milliarde Dollar

Peter Carlsson, Chef des Batterieherstellers Northvolt, vor einem Mikrofon. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Luca Bruno
Northvolt-Gründe Peter Carlsson tritt als Vorstandschef zurück.

Die Umorganisation soll innerhalb des ersten Quartals 2025 abgeschlossen sein. Das Unternehmen erhält nach eigenen Angaben Zugang zu 145 Millionen US-Dollar von Kreditgebern und außerdem 100 Millionen US-Dollar als Brückenfinanzierung von einem seiner Kunden. Dabei handelt es sich um den schwedischen Nutzfahrzeuge-Bauer Scania, der zum deutschen Volkswagen-Konzern gehört und von Northvolt Akkus für E-Fahrzeuge bezieht.

Northvolt sucht nach einem weiteren Investor. Peter Carlsson sagte am Freitag, um das Geschäft wieder auf die Spur zu bringen, würden zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden US-Dollar benötigt.

"Es ist bedauerlich, dass es in den letzten Wochen noch nicht gelungen ist, eine gesicherte Finanzierung für die Northvolt AB in Schweden zu erreichen und nun der Schritt einer Restrukturierung nach Chapter 11 durch das Unternehmen gegangen wird", sagte der Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter, am Donnerstag. Er begrüßte zugleich, dass nach den Diskussionen der vergangenen Wochen jetzt Klarheit über das weitere Verfahren und die nächsten Schritte herrsche.

Medienbericht: Fertigung in Skellefteå zurückgefahren

Größter Anteilseigner von Northvolt ist der Volkswagen-Konzern. Volkswagen erklärte am Donnerstagabend, man stehe mit Northvolt in engem Kontakt. Die Miteigentümer BMW und Goldman Sachs lehnten eine Stellungnahme ab. Laut "Financial Times" haben sich die Investoren zusammen mit umgerechnet mehr als 14 Milliarden Euro an Northvolt beteiligt. Doch das Unternehmen hat noch nie Gewinn erwirtschaftet und kämpft mit Qualitätsproblemen und Verzögerungen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Montag berichtete, hat Northvolt in Schweden seine eigenen Produktionsziele wiederholt verfehlt und fährt die Fertigung dort nun zurück. Das Unternehmen selbst verweist darauf, seine Ziele bei der Auslieferung an die Kunden zu erreichen.

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Northvolt Labs in Schweden. © picture alliance/dpa Foto: Britta Pedersen

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 21.11.2024 | 20:00 Uhr

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