Wenn es sich auflöst, können wir es zwar nicht mehr sehen, es ist aber immer noch da: Plastik, das mit der Zeit zu Mikroplastik wird. Auch im Spitzensport ist das Thema angekommen - beim Volvo Ocean Race, dem härtesten und teuersten Segelrennen der Welt hat es im vergangenen Jahr zum ersten Mal eine Zusammenarbeit zwischen der Crew einer Yacht (Turn the tide on plastic) und Wissenschaftlern des Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel gegeben.
Die Route führte einmal um die Welt - und von überall hat die Crew Wasserproben mitgebracht. Die Ergebnisse fasst Biogeochemiker Toste Tanhua so zusammen: "Es gibt keinen Platz auf der Welt ohne Mikroplastik, das ist erschreckend." Unklar ist bislang, wie sich das Mikro- und sogar Nanoplastik auf Pflanzen und Tiere auswirkt. Erste Untersuchungsergebnisse bei Muscheln zeigen, dass diese Probleme bei der Bildung von Proteinfäden haben, mit denen sie sich an Steinen festhalten. Ob Mikroplastik in das Muskelgewebe von Fischen übertreten kann und mit dem Filet auf unseren Teller gelangt, wird gerade weltweit intensiv untersucht, heißt es aus dem Thünen Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Fischerei.
Die größte Bedrohung für Fische ist weiterhin die Fischerei - trotz EU-Fangquoten. Die lägen oft oberhalb des wissenschaftlichen Rates. Von daher, so Jörn Schmidt von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, gelten weiterhin die Hälfte der Bestände der Ostsee als überfischt.
In den Ozeanen ist Kalk bzw. Kalzium-Carbonat für viele Lebewesen überlebenswichtig. Schnecken zum Beispiel brauchen es zum Aufbau ihrer Schalen. Doch durch die Zunahme von CO2 ändert sich der Säuregehalt im Wasser, es wird saurer. In den Weltmeeren nimmt dadurch die Verfügbarkeit von Carbonaten ab. Für Schneckenlarven wird es deswegen schwieriger, ihre Schalen zu bilden. Die Versauerung ist nur eine der unsichtbaren Bedrohungen, die gerade das Leben im Meer verändern.
Durch den Klimawandel hat auch der Sauerstoffanteil im Wasser abgenommen, denn warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes. Für die Ostsee sei das ein Problem, sagt der Meeresphysiker Florian Schütte vom Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. "Der Sauerstoffgehalt ist teilweise so niedrig, dass gar kein Leben mehr möglich ist. Im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel in Eckernförde Anstrandungen von toten Fischen", so Schütte.
Tote Zonen nenne Wissenschaftler diese Bereiche. Begünstigt werden sie durch Nährstoffe aus der Landwirtschaft. Die lassen zum Beispiel Blaualgen gedeihen und vertreiben damit die natürliche Vegetation am Meeresboden. Wie sich diese Entwicklungen langfristig auswirken, wann das Ökosystem kippt, das können die Wissenschaftler nicht abschätzen.
Verleger und Meeresbiologe Nikolaus Gelpke will die Menschen wachrütteln und ihnen die Bedrohung der Meere bewusst machen.
"Wenn man aufs Meer schaut, sieht alles in Ordnung aus. Doch genau das ist die Gefahr", sagt der Meeresbiologe und Publizist Nikolaus Gelpke. Seit 22 Jahren gibt er das Magazin "Mare" heraus, das sich ausschließlich mit Themen rund um das Meer beschäftigt. Gelpke hat in dieser Zeit eine Veränderung wahrgenommen: Die Bedrohungen für das Meer haben massiv zugenommen und kommen gleichzeitig von unterschiedlichen Seiten. Chemische Prozesse unter Wasser - beispielsweise die Versauerung - werden durch den steigenden CO2-Anteil in der Atmosphäre ausgelöst. Dazu kommen bekannte Probleme, wie die Überfischung und neue Herausforderungen, wie das Mikroplastik. "Es sind wahnsinnig viele verschiedene Faktoren, das ist schon ein Multiorganversagen", so Gelpke. "Das Meer stirbt."
Über die Probleme des Meeres zu berichten reiche nicht, wenn die Politik untätig bleibe. Sein Anliegen ist es, Menschen wach zu rütteln. Ihnen klar zu machen, dass die Schönheit des Meeres nicht über seine Probleme hinweg täuschen darf.