Itzehoe: 18-Jähriger wegen mutmaßlicher Anschlagspläne vor Gericht

Stand: 25.04.2025 14:23 Uhr

Wie wurde ein Jugendlicher aus Elmshorn zum mutmaßlichen Islamisten? Das soll nun geklärt werden - der 18-Jährige steht seit Freitag in Itzehoe vor Gericht. Die Liste der Vorwürfe ist lang.

von Eike Köhler und Julian Feldmann

Am 6. November 2024 wurde der damals 17-Jährige zu Hause in Elmshorn im Kreis Pinneberg verhaftet. Die Vorwürfe wiegen laut Gericht schwer: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Verabredung zum Mord und weitere Anklagepunkte wie die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Von heute an läuft der Prozess gegen ihn am Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg) - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Radikalisierung durch das Internet?

Mann mit einem schwarzen Polohemd im Büro einer Anwaltskanzlei. © NDR
Verteidiger Atilla Aykac vertritt den 18-Jährigen vor Gericht.

Wie konnte es so weit kommen? Der Fall wirft Fragen auf, die über das persönliche Schicksal des Jugendlichen hinausreichen. Der Deutsche mit türkischen Wurzeln besuchte eine Förderschule. Nach Aussagen seines Verteidigers Atilla Aykac war sein Umfeld nicht islamistisch geprägt. "Das ist das Erschreckende, das ist das Überraschende. Dass jemand, der überhaupt nicht damit aufgewachsen ist, in dieser Art und Weise dann von Dritten aus dem Internet eingefangen werden kann", erklärt Aykac.

Terrorismusexperten sehen auch einen möglichen Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt. Besonders seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 soll sich der 17-Jährige zunehmend mit islamistischem Gedankengut identifiziert haben. Er soll in Pro-IS-Gruppen im Internet aktiv gewesen sein und zwischenzeitlich bei WhatsApp als Profilbild die Flagge des sogenannten Islamischen Staates eingestellt haben. Zu den konkreten Vorwürfen hat sich der heute 18-Jährige nach NDR Informationen bisher nicht geäußert.

Doch was hat der junge Mann in den extremistischen Gruppen gesucht? Aykac vermutet ein Gemeinschaftsgefühl, das seinem Mandanten im realen Leben gefehlt haben könnte.

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Zwei Hände in Handschellen vor einem Polizeiwagen. © Fotostand Foto: K. Schmitt

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Der Freund, der die Veränderung bemerkte

Ein Freund des Angeklagten, der anonym bleiben möchte, berichtet dem NDR Schleswig-Holstein von der allmählichen Veränderung

"Ich dachte mir, das ist jetzt nur eine Phase und er kommt da irgendwann wieder raus. Ich habe ihm natürlich erzählt, dass das nicht geht, wie er denkt und so weiter. Aber das hat sich leider nicht verbessert." Freund des 18-jährigen Angeklagten

Die Silhouette eines Mannes ist vor einem Fenster zu erkennen. © NDR
Ein Freund des 18-Jährigen spricht mit NDR Schleswig-Holstein über dessen Kindheit.

Auch der Freund beobachtete nach eigenen Angaben, wie der Angeklagte zunehmend von den Ereignissen im Nahen Osten bewegt wurde. Er habe bei jedem Treffen erwähnt, dass ihn das Leid in Gaza sehr aufwühlen würde.

Offen für islamistische Ideologie

Der Freund vermutet, dass frühere negative Erfahrungen eine Rolle dabei gespielt haben könnten, dass der Angeklagte so empfänglich für extremistische Ideologien war. Er soll als Kind gemobbt worden sein, war eher ein Außenseiter. Auch Anwalt Aykac geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die kognitiven Einschränkungen seines Mandanten ihn besonders anfällig für eine Radikalisierung gemacht haben könnten.

Von der Empörung zum Entschluss

Die Radikalisierung blieb nicht bei bloßen Gedanken und Worten. Der Angeklagte soll versucht haben, Anleitungen zum Bombenbau und Waffen zu beschaffen. Er soll einen Benzin Kanister gekauft, ihn befüllt und in einem Keller versteckt haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll er fest entschlossen gewesen sein, einen Anschlag auf "Ungläubige" zu begehen.

Zwischen dem 15. und 18. März 2024 war der Jugendliche bereits in Präventivgewahrsam in der JVA Neumünster. Nach seiner Entlassung habe er seine Planungen jedoch fortgesetzt, glauben die Ermittler. Möglicherweise habe er einen Lkw stehlen und nach dem Vorbild des Attentats von Nizza einen Anschlag verüben wollen. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass es noch kein konkretes Anschlagsziel gegeben habe - außer, dass der Angeklagte es auf eine größere Menschenmenge abgezielt haben könnte.

Prozess in Itzehoe unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Fall wurde bereits im Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags in Kiel behandelt. Der Angeklagte befindet sich derzeit in einer jugendgerichtlichen Unterbringung in Hamburg, wo es mehr Betreuungsmöglichkeiten gibt als in einer Jugendhaftanstalt.

Frau mit dunklem Blazer steht draußen vor einem Gerichtsgebäude. © NDR
"Im Jugendverfahren steht der Erziehungsgedanke und nicht der Strafgedanke im Vordergrund", erklärt Frederike Milhoffer, Pressesprecherin des Landgerichts Itzehoe.

Der Prozess am Landgericht Itzehoe findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Frederike Milhoffer, Pressesprecherin des Landgerichts Itzehoe, erklärt: "Das Jugendverfahren wird zwingend nach dem Gesetz, also gegen Jugendliche, unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt." Beim Jugendstrafrecht stehe anders als beim Erwachsenenstrafrecht der Erziehungsgedanke und nicht der Strafgedanke im Vordergrund.

Zu den konkreten Vorwürfen erklärt der Anwalt, es müsse zunächst geklärt werden, inwieweit der Jugendliche Anschläge tatsächlich geplant habe und auch in der Lage gewesen wäre, sie durchzuführen. Wie in allen Verfahren gilt auch hier die Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung.

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Schleswig-Holstein Magazin | 25.04.2025 | 19:30 Uhr

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