Ein Hund Namens Sia blickt in die Kamera © NDR Foto: Noreen Brüning

Kolumne: Nicht mal Hunde machen so oft Sitz!

Stand: 14.10.2023 10:00 Uhr

Die meisten von uns sitzen mehr, als dass wir uns bewegen. Sitzen sei das neue Rauchen, wird schon seit längerem gesagt. Auch unsere Kolumnistin fragt sich, warum es so schwerfällt, einfach aufzustehen.

von Stella Kennedy

"Jeder kann was gut. Ich kann gut am Meer sitzen." Der Spruch ist nicht von mir und ich sitze auch gerade nicht am Meer, sondern am Schreibtisch, aber dass ich gut sitzen kann, oh ja, das stimmt. Nicht nur ich, diese Begabung zum auf'm Hintern sitzen, ist eine ziemlich universelle, belegen zumindest alle Studien. Eine Krankenkasse wirbt momentan für Bewegung mit dem traurig, aber wahren Slogan: "Nicht mal Hunde machen so oft Sitz."

Sitzgelegenheiten ziehen uns an wie Erdbeeren Sahne. Und wenn wir dann erstmal sitzen, puh, ist es auch ziemlich schwierig, sich wieder aufzuraffen. So kauern wir krummrückig vor unseren Bildschirmen im Büro oder Wohnzimmer und sitzen unsere - sich genau wegen dieser Nicht-Aktivität verringernde - Lebenszeit ab. Ziemlich niederdrückend, wortwörtlich.

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Denn es ist wohl tatsächlich so: Zu viel Sitzen schadet der Gesundheit und erhöht das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen - wer viel sitzt, stirbt früher. Aber Bequemlichkeit scheint nun mal eines unserer größten Laster. Das sehen wir nicht nur in Bezug auf alltägliche Veränderungen, die langfristig Gutes bewirken könnten (wie zum Beispiel unseren maßlosen Konsum einschränken oder wieder mehr analog unterwegs zu sein).

Nein, gerade beim Thema Bewegung kommen wir schlecht in die Gänge. Oder machen uns lächerlich, in dem wir wenige Minuten mit dem Auto zum Fitnessstudio fahren, um dort auf einem Indoor-Rad zu trainieren. Mit minimalem Aufwand maximalen Gewinn herausholen, heißt wohl die Devise vieler.

Und ich fühle das alles leider zu gut. Meistens sitze ich stundenlang - um mich dann an meinem einen "Sporttag" die Woche auszutoben. Das ist zwar besser als nichts, Fachleute empfehlen aber, besser "Bewegungs-Snacks" einzubauen.

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So sollen wir, die wir werktags im Schnitt über neun Stunden sitzen, alle 30 Minuten aufstehen und uns bewegen. Auch empfohlen wird, die Sitzhaltung möglichst oft und regelmäßig zu wechseln. Also sich mal aufzurichten, die Gelenke knacken lassen, der Rücken kerzengerade, die Beine anziehen, mit dem Kopf wackeln, sich laut ächzend dehnen oder mal umgekehrt auf den Bürostuhl setzen.

Der Vorteil, man macht sich im Großraumbüro bemerkbar. Frei nach dem Motto: Ich muss nicht immer im Mittelpunkt stehen, sitzen geht auch. Ob ich das wirklich zukünftig machen werde? Ich weiß es nicht. Und so wie mir, geht es vielen.

Die meisten von uns sitzen im gleichen Boot. Betonung auf sitzen. Es gibt zwar einige, die rudern, viele aber, mich eingeschlossen, lassen sich treiben. Ungebremst auf den Wasserfall zu - oder auf unser Wetter hier bezogen: Direkt hinein in den Sturm. Sehenden Auges!

Der Körper profitiert von Bewegung, der Geist von Stille

Eine forsa-Umfrage im Auftrag der AOK NordWest befand erst kürzlich, dass der Norden in einer Art Bewegungsdilemma stecke. Es sei zwar mehr als der Hälfte der Bevölkerung bewusst, dass sie sich zu wenig bewege, bei den meisten hake es an der Umsetzung.

Eine Lösung findet sich eventuell in fernöstlicher Spiritualität, die propagiert, dass der Körper von Bewegung, der Geist von Stille profitiere. Hier findet sich auch ein Rat zur Lösung eines Dilemmas. Man solle eine Münze zu werfen und ohne zu schauen, ob Kopf oder Zahl, die Münze liegenlassen und sich stattdessen fragen: Welches Ergebnis wünsche ich mir? Das sei die beste Wahl.

Ohne eine Münze werfen zu müssen, heißt die Frage in meinem Fall: Will ich lieber bequem bleiben und sitzend meinem Verfall entgegentreiben? In Ordnung, ich bin schon weg. Laufen gehen.

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