Das Gemeindeschild von Heinkenborstel mit ihrem Wappen. © NDR Foto: Kai Peuckert

Heinkenborstel nimmt Trinkwasserversorgung in eigene Hände

Stand: 10.06.2022 22:40 Uhr

Die Einwohner der kleinen Gemeinde Heinkenborstel kümmern sich selbst um ihre Trinkwasserversorgung und auch um ihre Abwasserentsorgung. Das schweißt zusammen - und senkt die Kosten.

von Kai Peuckert

In Heikenborstel sind sie stolz auf ihr Wasser. Denn sie haben es selbst in der Hand. Denn die Ver- und Entsorgung haben sie über einen Verein und eine Betreibergemeinschaft organisiert. Wenn sich Holger Wichmann (Bürgermeister), Jürgen Kühl (Vorsitzender des Trinkwasserversorgungsvereins) und Marc Kühn (Vorsitzender der Betreibergemeinschaft Abwasserbeseitigung) zu ihren "Wassergipfeln" treffen, trinken sie ihr Trinkwasser aus der Leitung. "Die Qualität ist sehr gut, gerade was den Nitrat-Gehalt angeht, und die Schmackhaftigkeit ist sehr gut", sagt Bürgermeister Wichmann.

Ehrenamt und Eigenarbeit

Drei Personen sitzen an einem Tisch. Eine von ihnen hat ihre Arme über einen Ordner gelegt. © NDR Foto: Kai Peuckert
Der Vorsitzende der Betreibergemeinschaft Abwasserbeseitigung, Marc Kühn, Bürgermeister Holger Wichmann, Jürgen Kühl, Vorsitzender des Trinkwasserversorgungsvereins (v.l.).

Sie sind die einzige Gemeinde in Schleswig-Holstein, die ihr Trinkwasser selbst fördert und auch die Kläranlage und Hausabwasserkanalisation selbst betreibt. Dadurch habe er als Bürgermeister weniger Verwaltungsaufwand, sagt Wichmann, denn ansonsten wäre das eine Aufgabe der Kommune. Viel wichtiger ist aber, dass das Wasser die Menschen zusammenbringt und den Zusammenhalt stärkt. "Der große Vorteil ist, dass jedes Vereinsmitglied im Verein mitarbeitet und darauf aus ist, die Kosten gering zu halten", erläutert Jürgen Kühl vom Trinkwasserversorgungsverein.

Ehrenamt schont den Geldbeutel

Alles was die Menschen aus dem Ort eigenhändig und selbstständig erledigen können, machen sie - und das ehrenamtlich. Fachfirmen werden nur beauftragt, wenn es Vorschrift ist oder die Mitglieder nicht weiterkommen. "Für die Einwohner ist das sehr interessant, weil sie nur etwa die Hälfte zahlen müssen - sowohl fürs Trinkwasser als auch fürs Abwasser", sagt Bürgermeister Wichmann.

Wasserversorgung seit 75 Jahren

Ein Backsteingebäude im Hintergrund, im Vordergrund rechts Gebüsch und dazwischen eine Vorrichtung aus Beton. © NDR Foto: Kai Peuckert
Im Gebäude der ehemaligen Meierei befinden sich noch immer die Speicherkessel, in die das Wasser aus Brunnen (Vordergrund) gepumpt wird.

Angefangen hat die private organisierte Wasserversorgung der Gemeinde im Amt Mittelholstein vor 75 Jahren. Die damalige genossenschaftliche Meierei hatte einen etwa 100 Meter tiefen Brunnen. Die beteiligten Landwirte entschlossen sich 1947, diesen auch für die privaten Haushalte zu nutzen. Sie gründeten dafür eine weitere Genossenschaft und legten Leitungen zu den Häusern.

Grundwasser aus Norwegen

Die Meierei existiert heute nicht mehr, dafür aber ein zweiter Brunnen. Und das alte Gebäude im Zentrum Heinkenborstels ist noch immer das Herz der Wasserversorgung. 1999 wurde die Genossenschaft in Verein umfirmiert. Aus den Brunnen in unmittelbarer Nähe pumpen sie ihr Wasser in zwei riesige Kessel im Inneren der alten Meierei. Das Wasser, sagen die Menschen, stammt aus einer Grundwasserader, die sich von Norwegen unter der Ostsee hindurch nach Mittelholstein erstreckt.

Etwa 140 Bewohner sind angeschlossen

Mit einem Druck von vier bis sechs Bar geht es für das Wasser dann in die Ringleitung durch die Gemeinde und von dort in die Häuser. Etwa 140 Einwohner sind angeschlossen. "Durch die Ringleitung können wir, wenn einmal etwas sein sollte, einfach andersrum einspeisen und die Versorgung ist gesichert", sagt Kühl, Chef des Wasserversorungsvereins.

Leitungen auf den Grundstücken

Im Gegensatz zu kommunalen Wasserversorgern muss der Verein seine Rohr-Leitungen nicht im öffentlichen Raum unter Straßen und Gehwegen verlegen. Stattdessen liegen sie größtenteils entlang der Grundstrücksgrenzen unter Rasen oder unter den Feldern. Wenn man nun mal etwas verstopft sein sollte oder ein Rohr bricht, muss daher keine Straße oder Gehweg aufgebrochen werden, auch das spare kosten.

Demokratie, die funktioniert

Eine Person gießt mit einer Gießkanne aus Metall Pfingstrosen in einem Vorgarten mit Holzzaun. © NDR Foto: Kai Peuckert
Astrid Wohles nutzt das Vereinswasser auch im Garten.

Das Leitungsnetz im Dorf ist aber nicht nur für die Menschen konzipiert. Bei einer Dürre, könnten sie auch das Vieh auf der entlegensten Weide der Gemeinde mit Wasser versorgen. Astrid Wohlers nutzt es auch zum gießen ihrer Blumen im Garten. Vor 30 Jahren hat sie mit ihrem Mann hier gebaut und ist solange schon Mitglied im Verein und profitiert von ihm: "Der Zusammenhalt ist riesig, man hat kurze Wege, man investiert gemeinsam. Man bespricht sich, es ist Demokratie im Kleinsten, die funktioniert."

Kreis war erst gegen die private Abwasserwirtschaft

Die zentrale Kläranlage für Hausabwasser kam erst in den 1990er-Jahren dazu. Vorher hatte jeder im Dorf seine eigene kleine Klärung auf seinem Grundstück. Als die Auflagen dafür geändert wurden, standen sie vor der Frage: Jeder für sich nachrüsten oder eine gemeinsame Lösung finden? Sie entschieden sich für die gemeinsame Lösung in Eigenregie als Betreibergemeinschaft. "Gegen den Willen des Kreises Rendsburg-Eckernförde. Der hat nicht geglaubt, dass das so funktioniert", sagt Marc Thun, der heutige Vorstand der Abwasserbeseitigung.

Wasser läuft von allein in die Kläranlage

Entscheidender Faktor ist für die Heinkenborsteler das Geld gewesen. Die 1999 eingeweihte Kläranlage samt Kanalisation war etwa eine Millionen Euro günstiger als eine kommunale Lösung, nicht zuletzt weil auch hier die Leitungen wieder auf den Grundstücken verlegt werden konnten. Aufgrund eines natürlichen Gefälles im Dorf sind bis heute auch keine Pumpen nötig. Das Wasser fließt praktisch von allein in Richtung Kläranlage.

Keine Chemikalien bei der Klärung

Zwei Personen begutachten etwas auf einem abgesperrten Gelände. © NDR Foto: Kai Peuckert
Marc Thun, Vorstand der Abwasserbetreibergemeinschaft, und Bürgermeister Holger Wichmann auf dem Areal der Gemeinde-Kläranlage.

Bereits nach kurzer Zeit war auch der Kreis überzeugt und steht den Heinkenborstelern bis heute bei Fragen gerne zur Seite. "Wir haben überhaupt keine Reibungen mehr mit dem öffentliche Interesse", sagte Thun, dem kein vergleichbares Abwassermodell im Land bekannt ist. Und auch die Abwasserwerte stimmen. Chemikalien werden dafür nicht eingesetzt. Die Heinkenborstler setzen dafür auf ökologische Bakterien, sagen sie. Als Vorstand muss Thun zwei Mal pro Woche auf der etwa 50 Quadratmeter großen Anlage gucken, ob alles läuft. Die Feineinstellungen nimmt eine Fachfirma alle vier Wochen vor. "Das ist vom Kreis auch so gefordert."

Bewohner sind sorgsamer

Da jedem das Abwassersystem gehört, gehen die Bewohner auch sorgsamer damit um, sagt Thun. "Weil jeder weiß, wenn er etwas falsches einleiten würde, zum Beispiel heißes Frittenfett in seine Spüle kippen würde, das unterwegs fest wird und zu einer Verstopfung führen würde, wüsste, er dass das sofort an seinen Geldbeutel geht", sagt der Chef der Abwasserbeseitigung. Denn einen großen Abgaben-Topf - wie bei unpersönlichen großen Anbietern - gibt es hier nicht.

Wasser im Wappen

Wie stolz die Heinkenborstler auf ihre Wasserversorgung und -entsorgung sind, sieht man auch im Wappen der Gemeinde, dass die Form eines Schildes hat. Im vergangenen Jahr wurde es neu gestaltet und nun ist auch ein Wellenbalken zu sehen, der die gemeinschaftliche Wasseraktivitäten symbolisiert.

Weitere Informationen
Ein Wassertropfen fällt auf eine Wasseroberfläche. © NDR

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 10.06.2022 | 19:30 Uhr

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