Grüne Jugend SH: Was bedeutet Austritt der Spitze für die Partei?

Stand: 30.09.2024 21:45 Uhr

Am Sonntag hat auch der Vorstand der Grünen Jugend in Schleswig-Holstein fast komplett seinen Austritt bekannt gegeben hat. Ein Politikwissenschaftler ordnet ein, welche Signalwirkung das hat.

Man sei unzufrieden, weil die Partei nicht bereit sei, sich mit den Reichen und Konzernen anzulegen. Damit hat ein Teil des Vorstands der Grünen Jugend in Schleswig-Holstein den Austritt aus der Partei begründet. NDR Schleswig-Holstein hat mit dem Politikwissenschaftler Professor Christian Martin von der Christian Albrechts Universität zu Kiel (CAU) gesprochen. Er beobachtet, wie die Grüne Jugend insgesamt mehr nach links rückt.

Mehrere Mitglieder der Grünen Jugend haben angekündigt aus der Partei auszutreten. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die Grünen in Schleswig-Holstein?

Christian Martin: Zunächst ist es eine Überraschung, dass es passiert ist. Denn die grüne Partei in SH hat immer für sich in Anspruch genommen, die Jugend stark einzubinden und auf die Jugend zu hören. Was auch überraschend ist, sind die Gründe, nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch auf Bundesebene: Nämlich klar antikapitalistische, antimarktwirtschaftliche Positionen, die man so in der breiten Öffentlichkeit nicht unbedingt mit der Grünen Jugend verbunden hat. Man dachte vielleicht an Klimapolitik, man dachte vielleicht an den Kohleausstieg, aber eine so klare linke Positionierung, wo es um Umverteilung geht, hätte man so nicht erwartet.

Inwiefern sind die inhaltlichen Diskrepanzen häufig zwischen Jugendorganisation und Mutterpartei zu groß?

Martin: Dass Jugendorganisationen radikaler sind als die Mutterparteien, ist ein altes Phänomen. Dass hier jetzt ein Rücktritt und Austritt aus der Partei erfolgt, ist eher außergewöhnlich. Man kann darüber spekulieren, ob daraus abzuleiten ist, dass sich das Parteiensystem in Deutschland insgesamt verändert. Wir haben gehört, dass die beteiligten Personen gerne dazu beitragen möchten, dass linke Politik in Deutschland möglich wird mit einer neuen Partei. Vielleicht sehen sie hier eine Chance, dass durch die schwächer gewordene Linke Platz ist im Parteiensystem.

Inwiefern ist es ein Trend geworden, aus der Partei auszutreten um inhaltlich eigene Akzente zu setzten? Erhoffen sich die Mitglieder der Grünen Jugend jetzt einen BSW-Effekt?

Martin: Ich glaube nicht, dass das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) eine Vorbild war für diese Austritte. Das sind andere Dynamiken. Was man sicher sagen kann, ist, dass das Parteiensystem in Bewegung geraten ist. Das deutsche Parteiensystem galt lange als stabil. Jetzt nähern wir uns an Verhältnisse an, wie wir es aus anderen europäischen Ländern kennen, mit wesentlich mehr Parteien im Parteiensystem, die auch schnell zum Erfolg kommen und dann möglicherweise schnell wieder weg sind.

In einem Jahr sind Bundestagswahlen. Die Grünen haben deutlich an Stimmen verloren bei den letzten Landtagswahlen. Denken Sie, dass diese Austritts-Welle die Partei im Profil eher stärkt oder schwächt?

Martin: Ich glaube in der breiten Öffentlichkeit, ist die Abspaltung der grünen Jugend eher ein Erfolgsfaktor für die Grünen. Man hat das Gefühl, dass die Grünen ihre Parteilinie konsolidiert um Habeck. Und wenn er als Kanzlerkandidat mit dieser Geschlossenheit antreten kann, dann wäre das eher ein Vortei für die Grünen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kern-Klientel der Grünen aus Milieus kommen, die mit Umverteilung nicht viel am Hut haben. Das sind eher Themen wie Ökologie, Gendergerechtigkeit oder die Ehe für alle. Für die Grüne Jugend sieht die Sache anders aus, da geht es um Kapitalismuskritik. Also eine fundamentale Kritik an den Verhältnissen im Land und das könnte für die Mutterpartei ein Ballast sein, wo manche sicher froh sind, dass sie ihn jetzt los sind.

Erhofft sich die Grüne Jugend die Stimmen von links? 

Martin: Das mag eine Hoffnung sein, und die Linkspartei, die nicht so gut da steht gerade, hat hier sicher Spielräume eröffnet, im linken Spektrum. Insgesamt sind die Parteien etwas nach rechts gerückt und das öffnet links Räume und da kann man auf die Idee kommen, dass es erfolgversprechend sein könnte, sie da zu positionieren.

Vielen Dank für das Gespräch

Das Gespräch führte Lilli Michaelsen, NDR Schleswig-Holstein.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 30.09.2024 | 17:00 Uhr

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