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Erinnerung an Kriegsopfer: Britischer Orden für Hobby-Historikerin

Stand: 29.04.2025 15:14 Uhr

Debbie Bülau aus Kutenholz ist Hobby-Historikerin. Und in dieser Funktion hat sie Großes vollbracht: Elf Familien von gefallenen britischen Soldaten hat sie die Geschichte ihrer Angehörigen nahegebracht.

von Catherine Grim

Es ist eine Ehre, die wenigen Ausländern zuteilwird: Fragt man Debbie Bülau, wie es für sie ist, eine britische Ehrenmedaille zu erhalten, die eigentlich kaum Ausländer bekommen, sagt sie nur: "Ich hab das doch nicht für so einen Orden gemacht. Sondern, weil mir das Thema am Herzen liegt, weil mir die Menschen wichtig sind." Es ist der 54-Jährigen aber schon anzumerken, dass sie sich über solch eine Würdigung ihrer ehrenamtlichen Arbeit freut. "Es wird gesehen, was wir machen. Das ist schön."

Mit einer Chronik fing alles an

Debbie Bülau und der  britische Botschafter in Berlin, Andrew Mitchell. © NDR
Debbie Bülau hat ihren Orden vom britischen Botschafter Andrew Mitchell überreicht bekommen.

Ausgezeichnet wird Debbie Bülau, die von ihren Mitstreitern aus dem Heimatverein auch die "Miss Marple von Kutenholz" genannt wird, für ihre unermüdliche Arbeit zu britischen Kriegsopfern im Landkreis Stade. Eigentlich ist sie gelernte Erzieherin, kümmert sich auf dem Milchviehbetrieb ihres Mannes um Haus, Hof und Familie. Nebenbei wollte sie eine Chronik über ihren Heimatort schreiben - und stieß auf Namen von britischen Soldaten, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in ihrer Gemeinde gefallen sind. Also recherchierte sie, tauchte tief ein in die Archive. Als sie immer mehr Namen herausgefunden hatte, wandte sie sich in Großbritannien an die Öffentlichkeit.

Kontakt über britische Medien

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Kutenholz gedenkt britischer Soldaten mit Stelen. © Screenshot
5 Min

Kutenholz gedenkt britischer Soldaten mit Stelen

Zu verdanken sind diese dem Engagement von Debbie Bülau. Dafür bekam sie sogar einen Brief von der Queen. 5 Min

"Erst ging es über Facebook-Gruppen, dann über die lokalen Medien. Die Briten feiern ihre Veteranen ganz anders als wir hier, schließlich gehören sie zu den Siegermächten. Und deshalb war das Interesse der Angehörigen auch sehr groß", erzählt sie. Über diese Wege stellte sie Kontakt zu Familien von elf Soldaten her. "Die haben sich alle gefreut, dass wir hier etwas über ihre gefallenen Angehörigen herausgefunden haben", sagt die Hobby-Historikerin. "Zum Teil wussten sie noch nicht einmal, in welchem Land sie ums Leben gekommen waren."

Gedenkstelen dank eines anonymen Spenders

So entstand ein reger Austausch zwischen Kutenholz und Großbritannien. Mittlerweile haben viele Angehörige Debbie Bülau besucht, sogar ein britischer Fernsehreporter war da. Verschiedene britische Medien haben über die Kutenholzerin berichtet - von der Daily Mail bis BBC Radio Sheffield. Dank eines Spenders aus dem Landkreis Stade, der anonym bleiben möchte, konnte die 54-Jährige zusammen mit dem Heimatverein Gedenkstelen für die gefallenen jungen Männer auf dem Kutenholzer Friedhof aufstellen. "Wir haben den Menschen einen Namen gegeben", sagt sie. "Denn keiner hat es verdient, vergessen zu werden."

Auch der Leibwächter der königlichen Familie war Kriegsopfer

BU Debbie Bülau im Kreise von Angehörigen von im Landkreis Stade gefallener Soldaten, die sie ausfindig gemacht hat. © NDR
Debbie Bülau im Kreise von Angehörigen gefallener Soldaten in der Robin Chapel in Edinburgh.

Unter den Männern, zu denen Debbie Bülau recherchiert hat, war auch der Leibwächter der königlichen Familie, Robin Tudsbery. Er kam in seinem Panzerspähwagen ums Leben, als er auf eine ferngezündete Mine fuhr. In Edinburgh wurde ihm zu Ehren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kapelle gebaut. Es war Debbie Bülau, die Einzelheiten zu seinem Tod herausfand. Deswegen ist sie auch zum Gedenken anlässlich seines 80. Todestages nach Schottland eingeladen. Sie fährt mit ihrer Tochter dorthin, obwohl die gerade mitten im Abitur steckt. "Mein Mann kann hier nicht weg wegen unseres landwirtschaftlichen Betriebes", sagt Debbie Bülau. In Edinburgh wird sie sich auch an der Napier University umschauen - wo die vor ihr konzipierte Ausstellung zu ihren Recherchen ab November zu sehen sein wird.

Viele Freundschaften sind entstanden

Debbie Bülau und Mistreiter Frank Hoferichter im Schwedenspeicher in Stade. © NDR
Debbie Bülau und Mistreiter Frank Hoferichter im Schwedenspeicher in Stade, wo die von Bülau konzipierte Ausstellung zu sehen war.

Debbie Bülaus Leben hat sich verändert, seit sie 2020 mit ihren Recherchen begann. "Das hat mein Leben bereichert, ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt. Allein diese Freundschaften, die sich gebildet haben, sind unglaublich", schwärmt sie. Ihr ist wichtig: Auch 80 Jahre nach Kriegsende hat es keiner verdient, vergessen zu werden. Die Briten jedenfalls haben Debbies Arbeit nicht vergessen. Wenn sie jetzt Post aus Großbritannien bekommt, steht in der Adresszeile neben ihrem Namen immer "BEM" - Trägerin der British Empire Medal. 

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