Verschleiert Schwesig ihre Kontakte zur russischen Gas-Lobby?
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat sich offenbar öfter mit Vertretern der russischen Gas-Unternehmen getroffen als bisher bekannt. Nach Informationen von NDR 1 Radio MV soll die Regierungschefin Kontakte mit der Gas-Lobby nicht offiziell im Kalender geführt haben. Das Thema spielt auch im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Klimastiftung MV eine Rolle, der am Freitag zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt.
Bisher hat Schwesig auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten der Grünen, Hannes Damm, insgesamt elf Treffen oder Gespräche mit russischen Gas-Lobbyisten angegeben. Das erste fand im November 2017 als "Kennlerntermin" statt, keine vier Monate nach ihrem Amtsantritt als Regierungschefin in Schwerin.
Treffen nicht aufgeführt
Klar ist: In der offiziellen Antwort der Staatskanzlei auf die Parlamentsanfrage fehlen mindestens zwei Treffen. Es geht um Zusammenkünfte mit dem Nord-Stream-2-Lobbyisten Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Die fanden im April 2018 in einem Berliner Restaurant und im Juni 2019 am Rande des Wirtschaftsforums in St. Petersburg statt. Schwesigs Staatskanzlei unterließ es, diese Treffen aufzuführen.
Lücken, um Termine nicht dokumentieren zu müssen?
Die Liste der Treffen mit Nord-Stream-2-Vertretern und anderen Gas-Lobbyisten ist möglicherweise noch länger. Denn Schwesig soll die Treffen in ihrem Kalender nach dem "Kennlerntermin" gelegentlich auch als "privat" geblockt haben. Das berichten Quellen aus dem Umfeld der Landesregierung. Auf diese Weise entfiel eine Dokumentation der Unterredungen. Ohnehin gibt sich Schwesig bei der Frage nach Gesprächsergebnissen zugeknöpft - auch in den Fällen der offiziell bestätigten Treffen wird über den Ertrag der Treffen oder Telefonate kaum etwas mitgeteilt.
Keine "lückenlose Aufstellung der stattgefundenen Treffen"
Auf Anfrage teilte ein Regierungssprecher mit, in der Antwort auf die Grünen-Anfrage seien "alle Termine mit der Nord-Stream-Entscheiderebene genannt worden, die sich aus dem Kalender der Ministerpräsidentin ergeben". Gleichzeitig verweist er darauf, dass eine "lückenlose Aufstellung der stattgefundenen Treffen nicht gewährleistet werden" könne. Die Angaben würden weitgehend auf Recherchen in Outlook-Termin-Kalendern, E-Mail-Verläufen und Aktenvorgängen basieren. Es habe "keine vollständige Dokumentation" gegeben.
Damm fordert vollständige Informationen
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Damm wirft Schwesig "extrem lückenhafte Angaben zu ihren Russland-Connections" vor. Es sei klar, dass nicht alle Termine genannt worden seien. Entweder sei die Landesregierung katastrophal organisiert und dadurch handwerklich schlicht nicht in der Lage, ordentliche Antworten zu geben, oder sie lasse Fakten bewusst unter den Tisch fallen. Nötig seien vollständige Informationen und keine fortgeführte Verschleierung, so der Oppositionsabgeordnete.
Lieblingsprojekt der Ministerpräsidentin nicht mehr opportun
Die Treffen mit Nord-Stream-Vertretern führten am Ende - im Januar 2021 - auch zur Gründung der umstrittenen "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV". Deren Aufgabe war die Umgehung von US-Sanktionen und die Fertigstellung der russischen Gaspipeline Nord Stream 2. Im Gegenzug gab das russische Unternehmen 20 Millionen Euro. Das Geld aus den Gewinnen mit russischem Gas sollte Klimaschutz-Projekte im Land fördern. Das einstige Lieblingsprojekt der Ministerpräsidentin gilt besonders nach dem russischen Angriff auf die Ukraine als nicht mehr opportun. Schwesig hatte Mitte Mai ausverhandeln lassen, dass der Stiftungsvorstand um Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) Ende September zurücktritt und damit den Weg für eine angestrebte Auflösung freimacht.
Schwesig soll mehr Unterstützung gefordert haben
Wie sehr die Stiftung zu einer Belastung für Schwesig geworden ist, macht eine Szene in einer Kabinettssitzung deutlich. Nach NDR Informationen wurde in der Ministerrunde die gerade mit dem Stiftungsvorstand unterzeichnete Auflösungsvereinbarung diskutiert. Einige Teilnehmer sollen dabei kritische Fragen zur Durchsetzbarkeit gestellt haben. Schwesig hat dann im Anschluss - so wird übereinstimmend berichtet - alle SPD-Kabinettsmitglieder zum Bleiben aufgefordert. Nach NDR Informationen hat sie ihren Genossen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie enttäuscht sei und sich allein gelassen fühle. Schwesig soll mehr Unterstützung eingefordert haben - offenbar ein Beleg für ihre Dünnhäutigkeit in der Frage. Bei der Diskussion sollen auch Türen zugeschlagen worden sein. Ein Minister erklärte, es sei die "übliche Manöverkritik" nach Kabinettssitzungen gewesen. Ein Regierungssprecher wollte sich zu Interna nicht äußern, es seien aber keine Türen zugeschlagen worden. Schwesig hatte ihre Lage Ende April bereits mit der Situation für Ex-Kanzler Willy Brandt (SPD) verglichen. In einer Kabinettssitzung sagte sie, Brandt sei seinerzeit für seine Ostpolitik massiv kritisiert worden. Er habe das durchgestanden und auch sie werde bestehen.
Untersuchungsausschuss geht an den Start
Die eingeforderte Unterstützung gab es dann zwei Tage später im Landtag. SPD-Fraktionschef Julian Barlen lobte die eigene Landesregierung für ihren Kurs gegen die Klimastiftung und unterstrich den "hohen zeitlichen Einsatz". Wie üblich sparte Barlen dabei nicht mit schmückenden Wortgirlanden. Die Regierung habe "besonnen" und "verantwortungsvoll" gehandelt - und zwar "zum Wohle des Landes", attestierte Barlen im Parlament. Dort beschäftigt sich auf Vorstoß von CDU, Grünen und FDP von Freitag (17. Juni) an ein Untersuchungsausschuss mit dem Hintergründen der Stiftung und der Rolle der Ministerpräsidentin. Der Ausschuss wird auch wissen wollen, wie viele Kontakte Schwesig zu der russischen Gaslobby tatsächlich hatte.
