Immer mehr Unternehmen in MV sollen Corona-Hilfen zurückzahlen

Stand: 08.11.2023 16:49 Uhr

Die Corona-Hilfen waren in der Pandemie für viele Unternehmen und Selbstständige ein Rettungsanker. Doch jetzt fordern Bund und Land die Soforthilfen teilweise oder sogar komplett zurück.

Club-Besitzer, Künstler und Eventplaner haben während der Pandemie zwei Jahre lang kein oder nur sehr wenig Geld verdient; waren auf Hilfen angewiesen, die sie teilweise erst zum Ende der Pandemie erhalten haben. Jetzt sollen genau diese Soforthilfen zurückgezahlt werden. Das stellt viele von ihnen erneut vor Herausforderungen.

Greifswalder Club soll 20.000 Euro zurückzahlen

Tobias Lembke ist Betreiber des Greifswalder BT-Clubs. Im Frühjahr 2020 versuchte er bei mehreren Schweriner Ministerien Corona-Hilfen zu erhalten, um sein Geschäft zu retten. Monate später bekam er endlich Unterstützung, um die er jetzt allerdings wieder kämpft. Knapp 20.000 Euro, also fast das gesamte Geld, das er im zweiten Quartal 2020 vom Bund ausgezahlt bekommen hat, muss er zurückzahlen, weil er während der Pandemie kleine Einnahmen hatte.

Einnahmen, die er durch das Aufbauen und Vermieten von Zelten machen konnte. Diese dienten für ein Corona-Testzentrum und den Eingangsbereich der Unimedizin Greifswald. Mit den Einnahmen wurden die Mitarbeiter bezahlt, die die Zelte aufgebaut haben. Er wollte helfen, so Lembke: "Ich hätte es verstanden, wenn man diese kleine Summe abzieht von den Corona-Hilfen, dass ich keine 20.000 kriege, sondern nur 17.000, da wäre ich voll mitgegangen. Aber dass man alles zurückzahlen muss, ist für uns 'ne ganz schwere Angelegenheit gerade."

Auch andere Betriebe in MV sind betroffen

Dem DJ René Haupt geht es ähnlich. Vor Corona betrieb er dazu noch eine Gastronomie, eine Künstlervermittlung, plante Events im Land und vermietete Technik. Der Unternehmer beschäftigte sieben Angestellte und bekam 9.000 Euro Soforthilfe. Geld, das für Gehälter, Autos, Mieten und Abzahlungen verwendet wurde. "Ich als Selbstständiger durfte mir ja von diesem Geld nichts rausnehmen, wurde mir auch von meinem Steuerberater gut erklärt, ich musste halt Hartz IV beantragen." Das Hartz-IV-Geld musste er schon zurückzahlen, weil er 2021 Einnahmen durch eine Veranstaltung hatte. Nun befürchtet er, auch die Corona-Soforthilfen zurückzahlen zu müssen.

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Eine Hand hält einen Stempel mit der Aufschrift "Soforthilfe" über mehrere Geldscheine. © picture alliance / Zoonar Foto: Wolfgang Filser

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Beantragt haben er und viele andere Unternehmer die Hilfen mit ihren Steuerberatern. Doch die Richtlinien wurden seitdem immer wieder geändert. Auch andere Branchen sind betroffen, weiß Dehoga-Chef Lars Schwarz: "Dass ich im Nachhinein das Kleingedruckte so ändere, dass möglichst viele Betriebe womöglich das zurückzahlen müssen und das Geld auch an den Bund zurückgeht, also das Land nur die Arbeit hat und die Unternehmen, die oftmals diese Mittel schon versteuert haben, jetzt in Größenordnungen zurückzahlen müssen, das können wir nicht nachvollziehen."

"Erinnerungswelle": Immer mehr Unternehmen bekommen Post

Der Parchimer Steuerberater Torsten Lüth ist Präsident des Steuerberaterverbands MV und Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands. Er kennt sich in der Materie bestens aus, weil er seinerzeit in Berlin an den Richtlinien für die Corona-Hilfen beratend mitgewirkt hat. Laut Lüth gibt es seit Oktober eine "Erinnerungswelle". Die Unternehmen werden aufgefordert, die Höhe des Liquiditätsengpasses im Sinne der Corona-Soforthilfe nachzurechnen, um zu viel gewährte Hilfe zurückzuzahlen. Dieses Verfahren geht auf Feststellungen des Bundesrechnungshofes bei stichprobenartigen Kontrollen zurück.

Regionale Unterschiede bei Rückforderungen - MV ist am strengsten

Doch gehen die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich restriktiver vor als die in anderen Bundesländern, wie hierzulande immer wieder aus dem Munde von Coronahilfe-Beziehern zu hören ist? Einige Bundesländer haben mit Landesmitteln dazu beigetragen, dass auch Krankenversicherung und anderes in die Berechnungen einfließen konnten, ansonsten sind die Vorgaben in diesem Programm identisch. Ein Flickenteppich tut sich allerdings bei den verschiedenen Corona-Überbrückungshilfen auf. Hier gibt es regional erhebliche Unterschiede.

Rechtliche Grundlagen meist nur in Form von Corona-FAQs

Dies liege daran, dass die rechtlichen Grundlagen für die verschiedenen Corona-Hilfeleistungen zum einen mehrfach konkretisiert wurden - weil im Rahmen der Erarbeitung unter hohem Zeitdruck nicht alle Facetten gesehen werden konnten - und zum anderen diese meist nur in Form von Corona-FAQs auf den Internetseiten der jeweils zuständigen Behörden veröffentlicht wurden. Die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern gehen aber tatsächlich restriktiver vor als die in anderen Bundesländern. "Dies lässt viele Interpretationsspielräume offen", sagt Lüth. "Aber die Sichtweise darf heute nicht anders sein als unter dem unmittelbaren Eindruck der Pandemie." Und die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern würden diese tatsächlich häufig strenger auslegen als die Behörden in anderen Bundesländern. Davon seien dann häufig auch insbesondere Kleinst- und Kleinunternehmer betroffen. Dieses Problem ist auch Gegenstand von Gesprächen, die derzeit mit dem Landwirtschaftsministerium laufen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 08.11.2023 | 19:30 Uhr

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