Die mithilfe der gGmbH Evangelischer Bildungscampus Dettmannsdorf gebaute Kita mit Sporthalle in Dettmannsdorf-Kölzow, ein moderner Bau, vor ihrer Eröffnung. Auf dem Gelände wird noch gearbeitet © NDR Foto: David Pilgrim

Dettmannsdorf-Kölzow: Ein Dorf nimmt sein Schicksal selbst in die Hand

Stand: 12.07.2023 17:18 Uhr

Die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern hat die Gemeinde Dettmansdorf-Kölzow schwer getroffen. Aber die Einwohnerinnen und Einwohner wehrten sich proaktiv gegen die negativen Auswirkungen - mit Erfolg.

von David Pilgrim

Es ist genau dreizehn Jahre her, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Kreisgebietsreform Strukturen geschaffen hat, die vielen ehrenamtlichen Bürgermeistern das Leben sehr erschweren. So ging es auch der Gemeinde Dettmannsdorf-Kölzow, etwa 20 Kilometer östlich von Rostock gelegen. Plötzlich lagen sie am äußersten Rand des riesigen Landkreises Vorpommern-Rügen und fühlten sich von Politik und Verwaltung abgehängt. Schon ein paar Jahre zuvor war die Schließung der staatlichen Schule beschlossen worden - sie sei überflüssig und nicht mehr nötig.

Dettmannsdorfer Bürger stellen sich gegen Verfall

Doch der parteilose Bürgermeister Stefan Schmidt wusste, dass ohne Schule ein weiterer Niedergang des Ortes nicht zu verhindern wäre. Zusammen mit ein paar Mitstreitern hat er es geschafft, dass sich im Dorf ein Verein gegründet hat, der eine neue Schule aufbaute und sie als evangelische Regionalschule betrieben hat. Das hatte Folgen - und zwar positive für Dettmannsdorf: Familien mit Kindern sind in die Gemeinde gezogen, die ehemalig verfallenen Plattenbauten aus DDR-Zeiten sind saniert und neue Baugebiete entstanden.

Vom eigenen Erfolg überrascht

Aus dem Verein, der die Schule und die Kita trägt, ist inzwischen eine gemeinnützige GmbH geworden. Denn der Erfolg braucht Strukturen. Die Schule ist inzwischen ein Bildungscampus mit Kita, Hort, Grundschule und weiterführender integrierter Gesamtschule bis zum Abitur. Inzwischen ist sie mit etwa 100 Mitarbeitenden der größte Arbeitgeber im Dorf. 460 Kinder lernen hier. Und im Schuljahr 2023/2024 werden etwa 600 Kinder hier lernen. Eine Entwicklung, die niemand erwartet hätte. Und der ehrenamtliche Bürgermeister Schmidt sagt, es sei ein dauernder Kampf gegen die Bürokratie und gegen die Behörden, die sich stetig querstellten.

EU-Fördermittel helfen der Gemeinde

Beispiel: die Sporthalle. Weil die Schule so gut läuft, ziehen immer mehr Familien nach Dettmannsdorf und die wollen einen Ort, an dem sie ganzjährig Sport machen können - und vor allem einen Platz für Schulsport brauchen die Dettmannsdorfer. Doch die Kommunalaufsicht macht dem Ort einen Strich durch die Rechnung - das könne und dürfe die Gemeinde nicht. Lösung: Auch hier pragmatisch - dann baut die "Evangelischer Bildungscampus Dettmannsdorf gGmbH" eben auch eine neue Sporthalle für sechs Millionen Euro. Immerhin haben sie für die neue Kita mit 130 Plätzen Fördermittel von der EU und dem Landkreis Vorpommern-Rügen bekommen. Das nachhaltig errichtete Gebäude hat knapp vier Millionen Euro gekostet.

Wachsendes Dorf nicht wegen, sondern trotz staatlicher Strukturen

Der Bürgermeister sagt, die Dettmannsdorfer wollen selbst bestimmen, wie sich ihr Dorf entwickelt und wenn die staatlichen Regeln und Strukturen das nicht ermöglichen, müsse man eben selbst handeln. Er schafft es, seine 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner mitzunehmen. Mehr als 600 von ihnen engagieren sich in den Vereinen im Ort. Etwa 80 Selbstständige und Gewerbetreibende haben auch in Corona-Zeiten für recht stabile Gewerbesteuereinnahmen gesorgt. Es gibt faktisch keine Arbeitslosen. Das Dorf wächst - Menschen, die wegzogen, ziehen zurück. Die Menschen reden miteinander, merken den Erfolg und reden noch mehr miteinander. Die Kirche musste saniert und gleichzeitig eine neue weltliche Trauerhalle gebaut werden - nach Gesprächen zwischen Kirchengemeinderat und Gemeindevertretung passiert das: es wird keine Trauerhalle gebaut - die Kirche bekommt Geld von der Gemeinde für die Sanierung und nun gibt es eine schöne, restaurierte Feldsteinkirche in der aber auch weltliche Bestattungen stattfinden dürfen. Lösungen, oft pragmatisch und immer durch Initiative - die Dettmannsdorfer nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 12.07.2023 | 20:00 Uhr

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