Die neu gemachte Fassade des Rathauses in Neubrandenburg  Foto: Bernd Wüstneck

Chaostage in Neubrandenburg - Streit im Stadtparlament

Stand: 10.06.2022 09:51 Uhr

Erst wurde Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) mit einem Monat Verspätung in sein Amt eingeführt, jetzt wird die Stadtvertretung in Neubrandenburg fast fünf Monate ohne gewählten Stadtpräsidenten sein. Zudem hat sich die CDU-Fraktion gespalten.

von Thomas Köhler

Als Linken-Ratsfrau Renate Klopsch in der Sitzung der Neubrandenburger Stadtvertretung im April dem Oberbürgermeister und anderen Führungskräften im Rathaus Mobbing gegen Mitarbeitende vorwarf, ahnte sie wohl nicht, welche kommunalpolitische Welle sie damit auslöste. Seitdem ist die Vizepräsidentin krank geschrieben. Im Raum steht ihre Behauptung, dass sie die Vorwürfe im Namen des CDU-Stadtpräsidenten Dieter Stegamm verlesen hatte. Wer den Text wirklich formuliert hat, wisse sie nicht.

Witts Anwälte prüfen Verleumdungsklage

Stegemann fiel im Urlaub offenbar aus allen Wolken und trat daraufhin zurück. Beide verweigern bisher jede Auskunft, wer der Autor dieser Vorwürfe ist. Deshalb hat Oberbürgermeister Witt jetzt Anwälte eingeschaltet, die eine Verleumdungsklage prüfen sollen. Die Stadtvertreter rief Witt auf, zur Sachpolitik zurück kehren. Das scheint aber vielen Ratsfrauen und -herren schwer zu fallen, obwohl alle unisono verkünden: Alles was sie tun würden, täten sie zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger.

Linke und Bürger verzögern und bremsen

Auffällig ist, dass die Fraktionen der Linken und der Bürger für Neubrandenburg (die sich von der CDU abspaltete und als dessen konservativer Teil gilt) auf die Bremse treten, wenn es um schnelle Entscheidungen geht. So fanden sie in dieser Woche den Zeitpunkt der Wahl eines neuen Stadtpräsidenten zu früh. Im Vorjahr verhinderten sie eine vorzeitige Neuwahl des Oberbürgermeisters, weil der Termin zu früh sei, da sie noch eigene Kandidaten suchen müssten. Im April verzögerte sich die Amtseinführung des OBs in seine zweite Amstzeit um einen Monat, weil einer Mehrheit der Stadtvertretung die Einschätzung ihres eigenen Wahlausschusses zu einem Einspruch gegen die Wahl Witts nicht ausreichend erschien und ein neutrales Gutachten in Auftrag gegeben werden musste.

CDU uneins und gespalten

Der ehemalige SPD-Ratsherr Robert Northoff, der jetzt im Landtag sitzt, hatte die Machtverhältnisse in der Neubrandenburger Stadtvertretung als AfD-gestützte CDU-Links-Koalition bezeichnet und sich anschließend schwere Vorwürfe gefallen lassen müssen. Den Abstimmungen in der Neubrandenburger Stadtvertretung nach liegen CDU (vor der Spaltung), Linke und AfD jedoch häufig auf der gleichen Wellenlänge, während SPD und Grüne das Pendant bilden. Beide Fraktionen stehen öffentlich zu Witt, kritisierten die Mobbing-Vorwürfe gegen ihn, während die CDU-Fraktion sich dazu nicht einig wurde und sich daraufhin spaltete. In der abgespaltenen Fraktion Bürger für Neubrandenburg versammelten sich jetzt jene CDU-Ratsfrauen und -herren, die sich nicht bei Witt entschuldigen wollten.

Auftrittsverbot für Witt als Kabarettist 2015

Die Dissonanzen zwischen dem Rathauschef und einigen Stadtvertretern scheinen jedoch deutlich älterer Herkunft. Denn bei seiner ersten Wahl 2015 setzte sich Witt auch gegen die jetzige Fraktionschefin der Bürger für Neubarndenburg Diana Kukh (CDU) und den Linken-Bewerber Torsten Koplin durch. Zuvor hatte Witt als Kabarettist mit seinem Stadt-Theater die durch den damaligen OB Paul Krüger CDU-gepägte Kommunalpoltik durch den Kakao gezogen. Daraufhin hatte ihm der damalige CDU-Stadtchef Frank Benischke ein Auftrittsverbot in dem von ihm verwalteten Haus der Kultur und Bildung erteilt. Vor zwei Jahren zeigte Witt dann Benischke wegen Veruntreuung an, weil dieser als Chef der städtischen Wohnungsgesellschaft Neuwoges Räume kostenlos an die CDU vermietet hatte. Seitdem eskaliert so mancher Disput in der Stadtvertretung bishin zu den Mobbingvorwürfen gegen Witt.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 10.06.2022 | 07:30 Uhr

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