Bauernproteste: Radikalisieren sich die Landwirte?

Stand: 07.01.2024 20:09 Uhr

Teilweise hängen Gummistiefel an Galgen und schwarze Flaggen sind im Land gehisst. Ist dieser massive Protest gerechtfertigt? Oder findet bereits eine Radikalisierung statt? Prof. Jochen Müller schätzt die Situation im Interview mit NDR MV Live ein.

Richtig und wichtig ist, und das betont Müller gleich zu Beginn des Interviews mit NDR MV Live, dass sich die Menschen politisch äußern. Verbände, Gewerkschaften und eben auch der Bauernverband sollen sich Gehör verschaffen und für ihre Position eintreten. Zudem sei es hilfreich laut zu sein. "Wenn man seiner Position Gewicht verleihen möchte, kann es eine zielführende Strategie sein, Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit zu erzeugen, zu nerven und auch Kosten zu erzeugen." Das gelte gleichermaßen für den Agrarsektor, wie auch "für Klimakleber oder Eisenbahner". Gleichzeitig würde ein Protest, der Aufmerksamkeit erzeugt, potentiell auch Ablehnung erzeugen.

Bevölkerung zeigt Verständnis für Protest der Landwirte

In der Landwirtschaft ist das laut Müller noch nicht der Fall. Bei der Bevölkerung herrsche insgesamt ein größeres Verständnis für den Protest. Mit Blick auf die Lebensmittel seien alle Menschen betroffen. Die Aussage, dass Landwirte die Menschen ernähren, stimme: "Wir haben eine sehr, sehr bunte Landwirtschaft, gerade auch in MV. Erzeuger produzieren Gemüse, Getreide oder auch Futtermittel und es gibt Tierhaltung." Zudem sei der Agrar-Sektor sehr bedeutsam, wenn es um Themen wie Tier-, Klima- und Verbraucherschutz geht. Dadurch seien viele Akteure involviert und die Bauern vielen Regularien ausgesetzt, die sich wiederum häufig ändern, erklärt Müller weiter.

Gute Organisation sei Vorteil

"Es gibt sehr enge, gute, stabile Kontakte in die Politik und in die Parlamente. Das gilt für die Länder, für den Bund und auch für das Europaparlament." Landwirte seien gut organisiert, entsprechend würden sich die Interessen tendenziell stark durchsetzen. "Wir sehen ganz allgemein, dass insbesondere die Interessen durchsetzbar sind, die präsentabel sind, wie etwa mit Traktoren", so Müller. Eine Demokratie müsse aber auch alle Interessen derjenigen berücksichtigen, die weniger laut, sichtbar, oder "auch weniger nervig oder Kosten erzeugend sind", als es für die Landwirte der Fall ist. Einen sogenannten "Generalstreik" sieht Müller daher kritisch.

Weil der Protest der Landwirte in der Bevölkerung grundsätzlich auf Sympathien stoße, sei er auch für andere politische Akteure, wie beispielsweise "den rechten Bereich" attraktiv. Sie nutzten die Aufmerksamkeit, um ihre eigenen Themen zu präsentieren, betont Müller. Deshalb sei es gut, dass sich die Vertreter aus dem Bauernverband zunehmend von den rechten Protesten abgrenzen. Diese würden nämlich, so Müller, "durchaus die Sympathie gefährden, die aktuell noch den Landwirten entgegengebracht wird."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nordmagazin | 07.01.2024 | 19:30 Uhr

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