Klimawandel: So schädlich ist der CO2-Ausstoß trockener Moore

Stand: 10.12.2023 06:00 Uhr

Nasse Moore speichern CO2, trockene geben es in die Atmosphäre ab. Daher befeuern die vielen trockenen Moore in Deutschland den Klimawandel. Ein Großteil von ihnen liegt in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

von Alexander Cornelius Mühlhausen

Ein Boden, der fest wirkt, aber alles verschlingt, was ihm zu nahe kommt - dafür sind Moore bekannt. In einem naturbelassenen Moor steht das Wasser immer hoch, abgestorbene Pflanzen lagern sich darin im Laufe der Jahrtausende als dicke Torfschicht an. Auf dem schwammigen Grund wachsen Moose, niedrige Sträucher, Schilf und viele weitere Pflanzenarten. Doch es gibt kaum noch solche natürlichen Moore in Deutschland. Denn fast alle wurden für Weide- und Siedlungsland entwässert. Mit verheerenden Konsequenzen für das Klima.

Wo liegen die Moore in Deutschland?

Die Hälfte der deutschen Moorflächen liegt im Norden: Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die beiden moorreichsten Bundesländer. Allein die Moore im Landkreis Vorpommern-Greifswald sind zusammen so groß wie Hamburg. Und im niedersächsischen Landkreis Leer machen Moore fast die Hälfte der Bodenfläche aus.

Insgesamt ist die Fläche der deutschen Moore etwa so groß wie Sachsen. Von den 18.000 Quadratkilometern Moor sind mehr als 90 Prozent trockengelegt. Das ist ein Problem, da sie dadurch gigantische Mengen CO2 ausstoßen.

Warum geben trockene Moore CO2 ab?

Pflanzen entziehen der Atmosphäre CO2 durch Photosynthese. Aus dem so gewonnenen Kohlenstoff bilden sie Blätter, Stängel und Wurzeln. Sterben die Pflanzen ab und verrotten, wird der Kohlenstoff wieder als CO2 in die Atmosphäre abgegeben - es sei denn, die Pflanze fällt in ein nasses, intaktes Moor. Dann wird fast der gesamte Kohlenstoff unter Wasser gebunden und in einer Torfschicht eingelagert. Über die Jahrtausende können Moore so große Mengen Kohlenstoff aufnehmen.

Kleine Moorpflanzen stehen neben einer Wasserfläche. © NDR Foto. Foto: Alexander Cornelius Mühlhausen
Wenn Pflanzen in einem naturnahen Moor sterben, wird ihr Kohlenstoff als Torf eingelagert.

Wird ein Moor trockengelegt, reagiert Sauerstoff aus der Luft mit dem freigelegten Torf. Der Kohlenstoff wird als CO2 wieder freigesetzt und beschleunigt als Treibhausgas den Klimawandel.

Weltweit ist in Mooren rund doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert, wie in der Biomasse aller Wälder. Entsprechend groß ist ihr Potenzial, den Klimawandel zu beeinflussen - positiv wie negativ.

Wie relevant sind Moore für den Klimawandel?

Sieben Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen werden von trockengelegten Mooren verursacht. Damit machen sie den CO2-speichernden Effekt aller deutschen Wälder zunichte und pusten so viel CO2 in die Luft wie fast zwei Drittel des gesamten deutschen Pkw-Verkehrs.

Wie groß der klimaschädliche Effekt entwässerter Moore ist, wird besonders deutlich an der landwirtschaftlichen Nutzung: Moore machen zwar nur sieben Prozent der von Bauern genutzten Flächen aus, trotzdem sind sie für 40 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen verantwortlich.

Insgesamt machen Moore also sogar mehr Treibhausgas-Emissionen aus als alle rülpsenden und pupsenden Rinder Deutschlands zusammen.

Wie werden Moore genutzt?

Rund drei Viertel der trockenen Moorflächen werden landwirtschaftlich genutzt. Für Schleswig-Holstein bedeutet das laut zuständigem Ministerium: Jeder vierte Bauer nutzt entwässerte Moorflächen. Dann stehen etwa Rinder auf Weiden, die ständig entwässert werden. Von außen ist dies nur an kleinen Gräben neben den Weiden zu erkennen.

Wie wird ein Moor wieder nass?

Im ersten Moment wirkt es einfach: Schließt man die Entwässerungsgräben, kommt das Wasser oft von allein wieder. Aber das hat Nebenwirkungen, da das Wasser an anderer Stelle fehlen kann. Auch gehören Moore oft verschiedenen Eigentümern, die nicht immer alle mitmachen möchten. Darum muss für jedes Moor genau geplant werden, wie es vernässt werden kann.

Bisherige Pilotprojekte werden oft von Forschern begleitet. Diese untersuchen unter anderem, wie sehr schon eine teilweise Wiedervernässung hilft. So könnte bereits ein Wasserstand von zehn Zentimetern unter der Oberfläche dafür sorgen, dass das Moor deutlich weniger Emissionen freisetzt, sich gleichzeitig aber auch besser nutzen lässt als ein komplett vernässtes Moor.

Wie kann man auf nassen Mooren wirtschaften?

Aktuell werden verschiedene Ansätze erforscht, um wieder vernässte Moore weiterhin zu nutzen. Eine Möglichkeit ist die Installation von Solaranlagen. Laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme könnten so jährlich mehrere Hundert Gigawatt Strom produziert werden - ein Vielfaches dessen, was deutsche Solarkraftwerke ab 2030 pro Jahr erzeugen sollen. So könnten Moore dazu beitragen, die Energiewende zu schaffen.

Eine Person fährt mit einem Stachelwalzenschlepper über ein Moor. © NDR / Schleswig-Holstein Magazin Foto: Alexander Ullrich
Mit Erntemaschinen wie diesem Stachelwalzenschlepper können Bauern auch nasse Moore nutzen.

Eine weitere Option sind sogenannte Paludikulturen. Das sind landwirtschaftliche Verfahren, die auch noch bei hohem Wasserstand funktionieren. So könnten beispielsweise Wasserbüffel statt Rinder auf den Flächen weiden. Es ließen sich auch Moorpflanzen ernten und weiterverarbeiten: Schilf lässt sich nicht nur für Reetdächer, sondern etwa auch für Schallschutzelemente verwenden. Und aus Rohrkolben lassen sich Möbelplatten fertigen.

Doch noch fehlen die Prozesse, um die Rohstoffe in großem Maßstab zu ernten und zu verarbeiten - und es fehlen zuverlässige Abnehmer. Das ist ein großes Problem für Bauern, die ihre Moore klimafreundlich bewirtschaften wollen.

Welche Moorschutzstrategie verfolgt die Politik?

Im Jahr 2022 hat die Bundesregierung die Nationale Moorschutzstrategie beschlossen. Seitdem laufen mehr Förderprogramme an und es soll mehr Geld geben, um Moore nasser zu machen. Dabei wird viel auf Freiwilligkeit und positive Anreize gesetzt. Auch soll die gemeinsame europäische Agrarpolitik angepasst werden, um Bauern mit Subventionen zu unterstützen.

Doch die bisherigen Projekte betreffen nur vergleichsweise kleine Flächen. Daher fordern einige Wissenschaftler, den Schutz der Moore "drastisch zu beschleunigen".

Was sagen die Bauern zum Bewirtschaften nasser Moore?

In der Landwirtschaft ist man hin- und hergerissen bei dem Thema: Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise zeigt sich offen für die Veränderungen, äußert aber auch Bedenken. So sorgen sich die Landwirte, auf den Kosten einer Wiedervernässung sitzen zu bleiben und den Wert ihres Landes langfristig zu zerstören.

Außerdem gibt es Unbehagen darüber, dass man zum Bewirtschaften der nassen Moore neue, teure Maschinen kaufen muss. Insbesondere, wenn die letzten großen Anschaffungen noch nicht lange her sind. Nutzt ein Landwirt auch andere Böden, muss er zudem unterschiedliche Maschinen für unterschiedliche Böden haben, was eine doppelte finanzielle Belastung bedeutet.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Story | 04.12.2023 | 22:00 Uhr

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