Diskussion um Lachgas-Verbot: Wie gefährlich ist die Partydroge?

Stand: 13.06.2024 10:58 Uhr

Kartuschen mit Lachgas, die neben Süßigkeiten zum Verkauf angeboten werden - für Elternvertreter und Ärzteverbände eine gefährliche Tendenz, denn junge Menschen nutzen die Substanz als Rauschmittel. Der Ruf nach einer Regulierung wird lauter.

Jugendliche in Feierlaune, die an Luftballons oder Kartuschen mit Lachgas saugen, sind nicht nur auf dem Hamburger Kiez ein fast schon alltägliches Bild. "In ganz Europa zeigt sich das eben insbesondere durch die Partyszene und die Aufschaukelung dieses Phänomens auf Social Media", sagte Psychiater Oliver Kastrup von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im Interview mit NDR Info.

In einem Warenautomaten vor einem Ladengeschäft liegen neben Essen und Getränken auch Lachgasflaschen. © picture alliance / dpa | Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte
AUDIO: Neurologe: Lachgas-Abgabe kontrollieren und limitieren (5 Min)

Ursprünglich ist Lachgas ein bereits seit Jahrhunderten eingesetztes Narkosemittel. Auch zur Schmerzlinderung wird Lachgas in der medizinischen Praxis angewendet. Doch es hat noch eine andere Wirkung. "Es löst einen kurzen Zustand von Euphorie aus, ein bisschen Benommenheit, ein Gefühl zu schweben, was in der Kürze eigentlich ungefährlich ist", so Kastrup. Gefährlich hingegen sei der Trend, dass insbesondere junge Menschen das Gas aufgrund dieser Eigenschaften in den vergangenen Jahren als Partydroge entdeckt haben.

Verkauf von Lachgas in Deutschland legal

"Was uns neurologisch natürlich Sorge macht, ist nicht dieser kurze Rauschzustand, sondern das ist die Mehrfachnutzung", warnt Kastrup. So könne es zum einen im Rausch zu Unfällen kommen, zum anderen könnten bei zu häufiger Nutzung Nervenschädigungen auftreten oder eine "Art psychologische Abhängigkeit" entstehen, bei der die Substanz immer häufiger konsumiert wird.

Neben der medizinischen Verwendung kommt Lachgas auch in vielen Küchen zum Einsatz, denn es kann zum Aufschlagen von Sahne genutzt werden. Daher sind der Verkauf und der Erwerb von Lachgas in Deutschland legal. Das Gas wird hierzulande auch nicht als Droge nach dem Betäubungsmittelgesetz eingestuft.

Lachgas: So gefährlich ist die Partydroge

  • Lachgas ist Distickstoffmonoxid (N2O). Mit dem in höheren Mengen betäubend wirkenden Gas wurden vor mehr als 200 Jahren erstmals schmerzfreie Operationen möglich. Inzwischen sind meist andere Narkosemittel im Einsatz.
  • In den vergangenen Jahren ist das Gas als Partydroge bekannt geworden. Unter Jugendlichen wird es etwa als "Rausch ohne Reue" propagiert. Suchtexperten sehen allerdings auch ein starkes psychisches Abhängigkeitspotenzial.
  • Laut Rainer Thomasius, Suchtexperte am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sind in Zusammenhang mit Lachgas schon Todesfälle aufgetreten. Statistische Daten gibt es hierzulande allerdings noch keine, auch nicht über Langzeitfolgen des Konsums.
  • Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt: Auf die Inhalation von Lachgas können schwere neurologische Beschwerden folgen: Sie reichten von Bewusstlosigkeit über Lähmungserscheinungen bis hin zu Hirnschäden.

In Gifhorn in Niedersachsen sorgte der Verkauf von Lachgas aus Snack-Automaten für Schlagzeilen. Kritik gab es vor allem daran, dass die Automaten in der Nähe von Schulen, einem Kindergarten und einem Jugendzentrum stehen.

Mehrere Gaspatronen und ein Luftballon liegen auf einer Straße. © picture alliance/dpa Foto: Julia Kilian
Lachgas ist in Deutschland frei verkäuflich, da es zur Zubereitung von Sahne gedacht ist.

"Wir müssen uns fragen, warum der Verkauf von solch gefährlichen Substanzen in der Nähe von Kindern und Jugendlichen zulässig ist", sagte Stadtelternratsvorsitzender Christopher Finck dem NDR. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forderte die Elternvertretung ein generelles Verkaufsverbot von Lachgas an Minderjährige. Die Ärztekammer Niedersachsen plädiert ebenfalls für strengere Regeln und schlug auch für Erwachsene ein Verkaufsverbot von Lachgaskartuschen mit mehr als acht Gramm Inhalt vor.

Lauterbach für Einschränkung des Verkaufs an Jugendliche

Angesprochen auf die Thematik reagierte Lauterbach auf die Kritik von Eltern und Ärzten: "Die schnelle Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen muss uns allen Sorge machen." Daher halte er es für nicht vertretbar, dass Lachgas in Automaten, Kiosken oder "Spätis" verkauft werde, insbesondere nicht an Kinder und Jugendliche. Er sei dazu mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung im Gespräch.

Politischer Druck kommt zudem aus Niedersachsen, wo Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) derzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative prüft. Auch die CDU-Fraktion im Landtag sprach sich für ein Verkaufsverbot aus. Der Landkreis Helmstedt hat bereits reagiert: Dort darf Lachgas nicht mehr an Minderjährige abgegeben werden.

Vorbehalte gegen den freien Verkauf von Lachgas gibt es auch in Hamburg: Dort hatte sich die Gewerkschaft der Polizei kürzlich für eine Prüfung ausgesprochen, ob Lachgas erst ab 18 Jahren frei verkäuflich sein könnte.

Lachgas wird in anderen Ländern als Droge eingestuft

Neurologe Kastrup ist ebenfalls für eine regulierte Abgabe von Lachgas: "Ein kontrollierter Verkauf und sicherlich auch ein Alterslimit wären aus meiner Sicht empfehlenswert."

Länder wie Großbritannien, die Niederlande, Dänemark oder die Schweiz sind in dieser Hinsicht bereits weiter - Besitz und Verkauf von Lachgas sind mit Ausnahmen verboten oder der Verkauf an Minderjährige ist untersagt. Die Niederlande und Großbritannien stufen das Gas zudem als Droge ein.

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