Bsirske: "Streiks sind ein Signal der Ernsthaftigkeit"

Stand: 28.02.2024 20:30 Uhr

Erst die Flughäfen, dann die Bahn, jetzt der ÖPNV - bei NDR Info live verteidigte Ex-Gewerkschaftsboss Frank Bsirske die Streiks als sinnvoll für den Arbeitskampf.

"Nicht schon wieder", dürften sich viele Pendlerinnen und Pendler in dieser Woche denken. Der Warnstreik der Lufthansa und der große Bahnstreik waren gerade erst geschafft, da gibt es schon den nächsten Arbeitskampf - diesmal im öffentlichen Personennahverkehr.

Bsirske: "Streiks geben Rückhalt für Verhandlungen"

Frank Bsirske, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Ex-Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, bezeichnete Streiks bei NDR Info live als "ein Mittel, um der Arbeitgeberseite deutlich zu machen, mit wie viel Rückhalt die Gewerkschaften in die Verhandlungen gehen". Sie würden auch zu einem frühen Zeitpunkt Sinn machen und seien "ein Signal der Ernsthaftigkeit seitens der Arbeitnehmervertreter".

Streikmaßnahmen können heftig ausfallen

Für Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gehört es bei Tarifverhandlungen dazu, dass Streikmaßnahmen am Anfang heftiger ausfallen, um die Bereitschaft zum Arbeitskampf zu betonen. Neu sei aber, dass durch die Streiks in den Bereichen Verkehr und Transport automatisch auch immer gleich die ganze Gesellschaft betroffen sei. Die Frage sei, ob die Auseinandersetzungen im Vorfeld in der Öffentlichkeit und auf der persönlichen Ebene stattfinden müssten, wie in letzter Zeit öfter geschehen. "Dies ist eine neue Art der Streikkultur, bei der es nicht nur um die Streikziele, sondern auch um Profilierung geht", sagte Fuhlrott.

Plettendorff: "Streiks verleihen Arbeitnehmern mehr Macht"

Markus Plettendorff aus der NDR Info Wirtschaftsredaktion überrascht das hohe Streikaufkommen nicht, denn alleine in diesem Jahr müssten für zwölf Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge ausgehandelt werden. Am Ende würden aber nicht die Gewerkschaften, sondern die Arbeitnehmer von den Streiks und den daraus folgenden Verhandlungen profitieren. "Natürlich helfen die Streiks den Gewerkschaften auch dabei, neue Mitglieder an sich zu binden", sagte Plettendorff. Allerdings seien sie nur eine Momentaufnahme und hätten nicht unbedingt eine langfristige Wirkung. "Auch die Gewerkschaften werden das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Erwerbsleben noch zu spüren bekommen."

Ohne attraktive Arbeitsplätze keine neuen Arbeitnehmer

Ex-Gewerkschaftsboss Bsirske sieht in dieser demografischen Entwicklung noch eine weitere Gefahr: Ihm zufolge müsse sich die Gesellschaft Gedanken darüber machen, was passiere, wenn ein Drittel der Belegschaft in den kommenden Jahren bundesweit in Rente gehe. Wenn dann die frei werdenden Arbeitsplätze nicht attraktiv genug seien, um neue Arbeitnehmer anzuziehen, "kriegen wir ein Problem", sagte er. Daher sei es wichtig, dass die Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen würden.

Fuhlrott: "Radikalisierung im Umgang und in der Sprache"

"Keiner will Streiks verbieten", betonte Fuhlrott in diesem Zusammenhang. Sie dürften und müssten wehtun und seien verfassungsrechtlich gesichert. Der Staat dürfe sich hier nicht einmischen. Jedoch stelle er eine Radikalisierung im Umgang und in der Sprache fest. Daher gebe es den Vorschlag, einen "Zwang zum Reden" einzuführen, bevor gestreikt werden dürfe. Dies würde bedeuten, dass die beteiligten Parteien eine Schlichtungsstelle anrufen könnten, die Gespräche vermitteln würde. Diese hätten dann zum Ziel, eine gemeinsame Einigung zu finden und Arbeitsniederlegungen abzuwenden. Nur wenn die Gespräche scheitern würden, könnten als Konsequenz Streiks eingeleitet werden.

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NDR Info | 28.02.2024 | 18:00 Uhr

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