Stand: 06.07.2022 07:03 Uhr

Vor fünf Jahren: G20-Gipfel in Hamburg

von Elke Spanner und Annika Stenzel

Kosten des Gipfels

Der G20-Gipfel ist teurer geworden als ursprünglich kalkuliert. Die Bundesregierung hat für das Staats- und Regierungstreffen 72,2 Millionen Euro ausgegeben. Darunter fallen beispielsweise die Kosten für die organisatorische und logistische Vorbereitung des Treffens und die Kommunikation des Bundespresseamtes. Hinzu kamen die Kosten für die Sicherheit. Für die Sicherheit war Hamburg als Austragungsort zuständig. Der Bund hatte zuvor aber zugesagt, pauschal 50 Millionen für den Gipfel und das vorausgegangene OSZE-Treffen zur Verfügung zu stellen. So hatte der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz vor dem Gipfel zugesichert, dass die Hamburger Steuerzahlerinnen und -zahler nichts beitragen müssten.

Teurer als geplant

Dann wurde aber alles teuer als gedacht. Insgesamt haben die Sicherheitsmaßnahmen beim G20-Gipfel 64.771.195 Euro gekostet. Das geht aus einer kleinen Senatsanfrage von 2018 hervor, auf die der Senat heute noch verweist. Allein über 51 Millionen Euro musste Hamburg für auswärtige Polizeikräfte und Ausrüstung bezahlen, also für auswärtige Hubschrauber, Wasserwerfer, Spezialfahrzeuge. Hinzu kamen Kosten für Verpflegung oder die Miete für die Gefangenensammelstelle. Zusammen mit den Kosten für das OSZE-Treffen sollte Hamburg plötzlich 85 Millionen Euro tragen. Im Dezember 2017 wurde Bürgermeister Olaf Scholz in Berlin vorstellig. Im März 2018 dann sagte der Bund eine weitere Beteiligung an den Mehrkosten zu. Der Bund zahlte insgesamt schließlich 69 Millionen Euro. Die restlichen 16 Millionen musste dann doch Hamburg tragen.

20 Millionen Euro für den Härtefonds

Hinzu kamen Kosten für den Härtefallfonds. Aus ihm sollten während der Gipfeltage entstandene Schäden beglichen werden, für die die Versicherungen nicht aufgekommen sind. In den Härtefallfonds zahlten der Bund und Hamburg jeweils 20 Millionen Euro ein. Letztlich wurden daraus rund 300 Fälle reguliert. Hamburg vereinbarte mit dem Bund, dass die Stadt den Rest zum Ausgleich der zusätzlichen Belastungen durch Sicherheitskosten verwenden darf.

Bilanz des Gipfels

Vom G20-Gipfel in Hamburg werden wohl vor allem die Bilder der Ausschreitungen und Zerstörungen in Erinnerung bleiben. Die Schäden an privatem und öffentlichem Eigentum sollen bei mehr als zwölf Millionen Euro liegen. So bezifferte die Innenbehörde den Schaden vor einem Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft.

Viele Verletzte auf beiden Seiten

Nach Angaben von Polizei und Feuerwehr wurden 797 Beamtinnen und Beamten im G20-Einsatz verletzt. Dazu, wie viele G20-Gegnerinnen und -Gegner verletzt wurden, gibt es keine abschließenden Zahlen. Von den Krankenhäusern wurden 270 Patientinnen und Patienten dem Kreis der Demonstrierenden und Unbeteiligten zugerechnet, 40 bis 50 wurden mit dem Rettungswagen eingeliefert, 20 mussten stationär behandelt werden. Die Kassenärztliche Notfallpraxis Altona versorgte während des Gipfels 38 verletzte mutmaßliche Demonstrierende. Die meisten und schwersten Verletzungen gab es bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration am Bahrenfelder Rondenbarg am Morgen des 7. Juli. Dort wurden 14 Demonstrierende verletzt, einige von ihnen schwer mit Knochenbrüchen.

Umfangreiche Fahndung

Nach dem Gipfel ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft mit großem Aufwand gegen G20-Gegnerinnen und Gegner, die sich an Ausschreitungen beteiligt haben sollen. 1.286 Beschuldigte wurden namentlich identifiziert. Darüber hinaus ermittelte die Polizei gegen 1.666 Personen, die unbekannt geblieben sind. Auf 135 der Tatverdächtigen stieß die Polizei durch Fotos, mit denen sie bundesweit fahndete.

Knapp 450 Anklagen

Letztlich klagte die Staatsanwaltschaft 449 Tatverdächtige an. Hunderte von ihnen standen bereits vor Gericht, manche bekamen mehrjährige Gefängnisstrafen. Zwei Männer wurden zu so langen Haftstrafen verurteilt, dass sie noch heute im Gefängnis sind, einer voraussichtlich noch bis März 2023. Und die juristische Aufarbeitung geht weiter: Bei den Hamburger Amtsgerichten liegen noch 29 G20-Verfahren, 14 sollen in diesem Jahr verhandelt werden. Vor dem Landgericht stehen noch elf Prozesse an. Termine für diese gibt es noch nicht.

Keine einzige Anklage gegen die Polizei

Dem gegenüber gibt es nicht eine Anklage gegen Polizistinnen und Polizisten, die beim G20-Gipfel im Einsatz. Es gab zwar zahlreiche Anzeigen, und das Dezernat Interne Ermittlungen der Hamburger Innenbehörde leitete 157 Ermittlungsverfahren ein. Nicht eines davon mündete in eine Anklageschrift und einen Prozess. Nur in einem Fall bekam ein Polizist einen Strafbefehl zugeschickt - wegen der Verletzung eines Kollegen.

Polizeieinsätze und Maßnahmen rechtswidrig

Die Gerichte erklärten mehrere Polizeieinsätze und Maßnahmen der Innenbehörde im Nachhinein für rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht entschied beispielsweise, dass Mitglieder der Jugendgruppe "Die Falken" bei ihrer Anreise zu Unrecht mehrere Stunden in Gewahrsam genommen wurden. Und das Hamburger Landgericht entschied im Juni 2018, dass einige Ingewahrsamnahmen von Demonstrierenden rechtswidrig waren. Rechtswidrig waren auch Polizeimaßnahmen gegen das G20-Protestcamp auf Entenwerder, so das Urteil des Verwaltungsgerichts in diesem Mai. Die Polizei hätte den Zugang zur Halbinsel nicht absperren dürfen. Nach Auffassung der Richter fiel das angemeldete Zeltlager in erheblichen Teilen unter das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Im Juni 2018 verkündet Hamburgs Innensenator Andy Grote die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten.

Kein gemeinsamer Abschlussbericht

Nach dem Gipfel tagte ein G20-Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, um die Gipfeltage in der Stadt aufzuarbeiten. Der Ausschuss beendete seine Arbeit ohne einen gemeinsamen Abschlussbericht vorzulegen, wie es sonst bei Untersuchungsausschüssen üblich ist.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 07.07.2022 | 08:00 Uhr

Finn Kessler, Werner Pfeiffer, Björn Staschen und Ingmar Schmidt. © NDR Foto: Zeljko Todorovic

Die Polizeireporter: Gipfel der Gewalt - 5 Jahre nach G20 in Hamburg

Ingmar Schmidt und Finn Kessler blicken mit ihren Reporter-Kollegen Björn Staschen und Werner Pfeifer zurück auf G20 in Hamburg. mehr

Polizei bringt G20 Demonstranten zu Boden

Gewalt bei G20 in Hamburg: Viele Prozesse stehen noch aus

Der Hamburger Prozess um die Ausschreitungen im Rondenbarg vor drei Jahren ist vorerst geplatzt. Grund ist der Corona-Lockdown. mehr

Mehr Nachrichten aus Hamburg

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt den Bundes-Klinik-Atlas vor. © picture alliance / dpa Foto: Soeren Stache

Was bringt der Klinik-Atlas für Patienten in Hamburg?

Der bundesweite Klinik-Atlas ist am Freitag online gegangen. Für Hamburg gibt es bereits den Krankenhausspiegel. Was bringen die Vergleichsportale? mehr