Ihr Leben in der Pandemie: Der Obdachlose
Wie hat die Pandemie Ihr Leben verändert? Unter dieser Fragestellung starten diese Woche NDR 90,3 und Hamburg Journal eine neue Serie und begleiten sieben Hamburger und Hamburgerinnen durch die Corona-Zeit, darunter "Hinz&Kunzt"-Verkäufer Jens Cormann.
Die Kaffemaschine hat Jens Cormann sich als erstes gekauft, als er ins Hotelzimmer gezogen ist. Bis Dezember lebte er auf der Straße. "Wie Gott in Frankreich habe ich mich gefühlt", erzählt Cormann. "Alleine, dass man tagsüber nicht draußen bleiben muss und auch reingehen kann." Er habe keine Ruhe gehabt, als er auf der Straße lebte. "Da hat man immer mit einem Auge offen und einem Auge zu geschlafen."
Ohne die Pandemie würde Jens Cormann weiter draußen schlafen: Eine private Initiative hat im vergangenen Jahr zum Schutz der Obdachlosen vor Corona Hotelunterbringungen organisiert. Seine Zeitungen von "Hinz&Kunzt" verkauft er weiterhin auf der Straße.
Obdachlose von Corona besonders gefährdet
"Hier ist es wie eine Familie, hier bist du gerne gesehen", sagt Cormann über das Hamburger Straßenmagazin. Diese Familie hat ihm vielleicht das Leben gerettet: Durch die Corona-Pandemie und den kalten Winter sind Obdachlose besonders gefährdet. In den schwierigen Verhältnissen auf der Straße ist die Ansteckungsgefahr deutlich größer.
Sozialarbeiter: "Der Akku ist einfach alle"
"Gerade jetzt, in Zeiten von Corona, ist zu sehen, dass der Akku einfach alle ist. Es sind schon 13 Menschen auf der Straße gestorben", berichtet Jonas Gengnagel, Sozialarbeiter von "Hinz&Kunzt". Er fordert, dass die Stadt Hamburg die Einzelunterbringung von Obdachlosen vorantreibt. Die große Hoffnung sei, dass die Menschen so zur Ruhe und Kraft kommen und ihren Weg aus der Obdachlosigkeit finden. Gengnagel hofft, dass es mit der Unterstützung von "Hinz&Kunzt" nach dem Hotel-Projekt für die Obdachlosen eigenen Wohnraum gibt.
Das nächste Ziel ist eine eigene Wohnung
Für Jens Cormann ist die eigene Wohnung jetzt das nächste Ziel. Momentan bewirbt er sich bei Wohnungsgesellschaften. Ein wichtiger Schritt, um von der Platte vor Karstadt auch langfristig in die eigenen vier Wände zu kommen. "Es ist ein gutes Gefühl, weil ich jetzt im Hotel bin und nicht mehr auf der Straße. Ich hoffe, dass ich den Platz nicht mehr betreten muss", sagt Cormann.
Weniger Spenden und Zeitungskäufe
Eine Zeit lang war das Verkaufen der "Hinz&Kunzt" wegen Corona nicht möglich. Mittlerweile steht der 44-Jährige wieder vor seinem Edeka am Großen Burstah. Doch seit Corona sind weniger Menschen in der Innenstadt unterwegs - und weniger kaufen eine Zeitung oder geben eine Spende.
"Ich muss da durch. Wenn ich meine 20 Euro habe, bin ich froh. Oder wenn ich 10 Euro habe, freue ich mich auch. Wenn ich mir mein Essen und Trinken und meine Zigaretten holen kann, bin ich zufrieden," berichtet Cormann.
Wohl bis April kann er im Hotel bleiben. Zurück auf der Straße warten nicht nur die alten Probleme, sondern auch die unwägbaren Gefahren der Pandemie.
