NDR Radiophilharmonie
Donnerstag, 02. Juni 2022, 20:00 bis
22:00 Uhr
Dvořáks berühmtes "Amerikanisches" Streichquartett einmal anders und musikalische Entdeckungen aus verschiedenen Teilen der Welt: Gleich bei zwei Kammermusikmatineen der NDR Radiophiharmonie in diesem Frühjahr spielte die Flöte eine Hauptrolle.
Paul Ben-Haim - ein israelischer Komponist aus München
Vor 125 Jahren wurde Paul Ben-Haim als Paul Frankenburger in München geboren. Seine musikalische Laufbahn verlief zunächst glänzend: Nach seinem Studienabschluss 1920 wurde er Chorleiter an der Bayerischen Staatsoper unter Bruno Walter und feierte bald erste Erfolge als Komponist und Dirigent. Doch weil Frankenburger sich zunehmend antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt sah, emigrierte er als einer der ersten Komponisten 1933 von nach Palästina. Dort entwickelte er, nun unter dem Namen Ben-Haim, einen besonderen israelischen Nationalstil. Der prägt auch die Flöten-Serenade von 1952: Durch die Verschmelzung von europäischen Klängen à la Debussy und Ravel mit orientalischen, östlichen und mediterranen Wendungen entsteht ein ganz eigenes musikalisches Flair.
Eine Schweizer Musikergröße: Volkmar Andreae
Auch der Schweizer Volkmar Andreae, geboren 1879 in Bern, gilt als wichtiger künstlerischer Impulsgeber seines Landes. Er war Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters und Leiter des Konservatoriums in Zürich. Als Mitbegründer der Schweizerischen Gesellschaft für Neue Musik wurde er 1922 deren Präsident. Nicht weniger rege war er als Komponist: Zu seinem Werkkatalog gehören Konzerte, Sinfonien, Bühnenstücke, Chorwerke und Kammermusik. Sein Flötenquartett op. 43 schrieb Andreae 1942.
In Urlaubsstimmung: Dvořáks "Amerikanisches" Quartett
Das fühlt man vom ersten Ton an: Antonín Dvořáks heiter-entspanntes Streichquartett op. 96 entstand im Sommerurlaub, 1893 im Dörfchen Spillville in Iowa. Dort fand der Komponist Erholung von seinem anstrengenden Job als Direktor des National Conservatory in New York. Inwiefern er Melodien der indigenen Bevölkerung in das "Amerikanische" Quartett aufgenommen hat, bleibt Spekulation, wie auch bei seiner kurz zuvor fertiggestellten Sinfonie "Aus der Neuen Welt". Was aber aus jedem Takt klingt, sind Dvořáks Natureindrücke. Dazu gehören auch original einheimische Töne aus Iowa, nämlich der Vogelruf der Scharlachtangare. In dieser Aufführung übernimmt, passend dazu, die Flöte den Part der ersten Violine.
Auf den Spuren von Claude Debussy
Mit Orchesterkompositionen wie "La mer" und "Prélude à l’après-midi d’un faune" stieß Claude Debussy um 1900 das Tor zu einer musikalischen Welt voller neuer Klangfarben auf. Und es gelang ihm auch, dieses filigrane Klang- und Farbenspiel auf seine kammermusikalischen Werke zu übertragen. Richtungsweisend war seine Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe. Nachfolgende Komponisten griffen die aparte Instrumentenkombination und die weit ausgreifende Harmonik auf und fügten ihre eigenen Akzente hinzu.
Berauschend schön
Jean Cras (1879-1932) teilte mit Debussy nicht nur die Vorliebe für exotische Klänge, sondern auch die Liebe zum Meer: Im Hauptberuf reiste er sogar als Konteradmiral der französischen Marine durch die Welt. Doch auch als Komponist wurde er in seinem Heimatland geschätzt. Und ob mit oder ohne Meeres-Assoziationen: Cras schrieb 1928 mit seinem Quintett für Flöte, Harfe und Streichtrio geradezu berauschende Musik.
Selbstbewusste Eleganz und Leichtigkeit
Unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts gehörte Jean Françaix (1912-1997) zu den unbefangensten: "Ich will ehrlich sein: Beim Komponieren sind die schönsten Theorien das Allerletzte, woran ich denke", gestand er verschmitzt. Eleganz, Leichtigkeit und Witz gehören zu seinen Markenzeichen. Und die spielt Françaix auch in seinem zweiten Quintett von 1989 lustvoll aus, besetzt mit Flöte, Harfe und Streichtrio. Doch er konnte auch anders, wie der zarte und melancholische Notturno-Satz beweist.
Eine Sendung von Christiane Irrgang.