"Wir brauchen ein Imamseminar"
In Deutschland ausgebildete Imame, das war das langfristige Ziel, als an deutschen Universitäten Institute für Islamische Theologie eingerichtet wurden. An der Universität Osnabrück können schon seit einigen Jahren Muslime Islamische Theologie studieren, offen aber ist nach wie vor, wie die Vorbereitung auf den Berufsalltag in den Moscheegemeinden ablaufen soll. Und die Zeit drängt. Denn der Bedarf an Imamen aus Deutschland ist groß. In dieser Woche ist das Institut für Islamische Theologie an die Öffentlichkeit gegangen.
Bülent Ucar, der Direktor des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie, kurz IIT, macht sich Sorgen um die Berufsperspektiven seiner Studierenden: "Unsere Theologen fragen sich, was soll aus uns werden?" sagt er. Er neige nicht zur Dramatik, aber: "Es ist ein Hilferuf an die Landespolitik, aber auch an die islamischen Verbände."
Die bisherige Weiterbildung läuft aus
Bisher gibt es an der Universität Osnabrück nur eine Weiterbildung für Imame, die aus dem Ausland kommen oder ehrenamtlich in Moscheegemeinden arbeiten. Sie können in der bundesweit einmaligen Fortbildung unter anderem lernen, was man in Deutschland unter Jugendarbeit versteht. 150 Teilnehmer waren es bisher - nicht nur aus Niedersachsen, auch aus Nordrhein-Westfalen.
Die Weiterbildung wurde vom Land Niedersachsen gefördert und läuft nun im September erst einmal aus: "Unsere Mittel sind verbraucht. Wir denken aber auch, dass die Weiterbildung nur eine Übergangslösung sein kann, wir brauchen grundständige Dauerlösungen", sagt Ucar: "Wir haben Priesterseminare, Rabbinerseminare in Deutschland, wir brauchen auch ein Imamseminar."
Die zweite Ausbildungsphase muss kommen

Die ersten Absolventen haben ihr Theologie-Studium am Osnabrücker Institut bereits abgeschlossen. Es existiere aber immer noch keine darauf aufbauende praktische theologische Ausbildung, kritisiert auch Martina Blasberg-Kuhnke, katholische Theologin und Beauftragte der Uni Osnabrück für das Islam-Institut: "Wenn ich wüsste, dass in zwei Jahren alles geklärt ist, dann würden wir sagen, da überlegen wir eine Zwischenlösung. Aber im Moment ist schwer abzuschätzen, ob sich der gordische Knoten in absehbarer Zeit löst oder wir auf Jahre hinaus eine Situation haben, in die wir unsere Studierende nicht guten Gewissens schicken können."
Dabei sind sich das Land Niedersachsen und die Uni Osnabrück einig: die zweite Ausbildungsphase muss kommen. Auch die Moscheeverbände setzen sich dafür ein, so Recep Bilgen, Vorsitzender der Schura Niedersachsen: "Wir müssen hin zu einer richtigen Imam-Ausbildung, die in Deutschland, in Niedersachsen durchgeführt wird in unseren Akademien, unter der Trägerschaft der islamischen Religions gemeinschaften. Dies kann durchaus in Kooperation mit Unis oder entsprechenden Ministerien erfolgen."
Das Interesse der DITIB-Gemeinden ist gering
Es gibt jedoch noch einige Hürden. Der Vertrag mit den muslimischen Verbänden in Niedersachsen etwa ist in weite Ferne gerückt. Und die Forderung wird immer lauter, dass sich der Islamverband DITIB vom Einfluss der Türkei lösen müsse. Denn die meisten Imame in Deutschland sind türkische Beamte, werden vom türkischen Staat bezahlt.
Bisher sei das Interesse in den DITIB-Gemeinden gering, so Bülent Ucar, in Deutschland ausgebildete Imame einzustellen: "Deshalb muss sich die Politik auch Gedanken darüber machen, wie man eine Teilfinanzierung von Imamen leisten kann. Weil alles andere wird weiterhin zu einer politischen Abhängigkeit der Imame in Deutschland führen oder zumindest den Status Quo beibehalten. Was wir aber brauchen sind Emanzipierungsprozesse an dieser Stelle."
Und das gehe nicht von heute auf morgen. Hinzukommt: nur wenige Studierende möchten als muslimische Geistliche arbeiten. Nicht nur wegen der ungewissen Berufsperspektiven, sagt Dua Zeitun. Die Osnabrücker Absolventin des IIT hat sich viele Jahre ehrenamtlich in Moscheegemeinden engagiert. "Es ist die Frage, wie jede Gemeinde geprägt ist", hat Zeitun festgestellt. "Wenn wir da jetzt viele Menschen aus der ersten Generation haben, die sagen dann natürlich, wir brauchen Menschen, die unsere Kultur beibehalten. Und da würde ein Imam, der hier in Deutschland sozialisiert ist, nicht wirklich reinpassen."
Ein tragfähiges Konzept kann nur gemeinsam gefunden werden
Der Spagat zwischen den Erwartungen von Politik, Islamverbänden und eigenen wissenschaftlichen Ansprüchen ist nicht immer einfach. Martina Blasberg-Kuhnke und Bülent Ucar sind sich einig: ein tragfähiges Konzept für die Fortsetzung und den Ausbau der Imamausbildung kann nur gemeinsam gefunden werden.
Ein erster Schritt wäre ein Runder Tisch, um Vereinbarungen zu treffen. Damit habe man schon in Niedersachsen bei der Entwicklung des Islamischen Religionsunterrichts gute Erfahrungen gemacht. "Dass man überhaupt zusammensitzt und wechselseitig hört, was haben die anderen für Vorstellungen und was erwarten die denn von uns und gibt es einen Nenner, auf denen wir uns treffen können. Und das scheint mir ganz wichtig zu sein."
