Wie sicher fühlen sich Muslime?
Der Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt sitzt vielen Deutschen noch in den Knochen. Das gilt auch für unsere muslimischen Mitbürger. Viele von ihnen fühlen sich von zwei Seiten bedroht: von Rechtspopulisten auf der einen und radikalen Islamisten auf der anderen.
Ein Kommentar von Seyran Ates

Nach dem terroristischen Anschlag vom 19. Dezember in Berlin wurde von Populisten und Nationalisten der Blick sofort auf die Flüchtlingskrise gelenkt. Solch eine Art von Wahlkampf ist mehr als schäbig. Denn diese Politiker und Politikerinnen wissen sehr wohl, dass weder alle Flüchtlinge Vergewaltiger, noch alle Muslime Selbstmordattentäter sind. Sie missbrauchen die unberechtigte Angst der Urdeutschen vor Überfremdung und haben keine bessere Lösung für die digitalisierte und globalisierte Welt, als sich in nationale Grenzen zu flüchten.
Seit dem 11. September 2001 und den zahlreichen islamistischen Terrorakten der vergangenen 15 Jahre war allen bewusst, dass Berlin irgendwann an der Reihe sein würde. Die Angst davor war und ist real und somit konkret.
Die Definition von konkreter und abstrakter Gefährdung sollte im Zusammenhang mit Terrorismus neu definiert werden. Es sollten Rechtsgrundlagen für die Festsetzung von potentiellen Gefährdern, sowie breitere Videoüberwachung von exponierten Plätzen geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass wir die Vollendung einer Tat abwarten müssen, um von einer konkreten Gefährdung zu sprechen.
Bedrohung von zwei Seiten
Populisten und Nationalisten nutzen die Gunst der Stunde, um Flüchtlinge zu kriminalisieren. Dabei vergessen sie, wovor diese zu uns geflohen sind. Es ist eine Tatsache, dass sehr viel mehr Muslime durch die Hand islamistischer Terroristen sterben als Nichtmuslime. Vor allem in muslimischen Ländern. Viele Flüchtlinge sind aus diesem Grund nach Europa gekommen. Sie suchen hier Sicherheit.
Bedroht und getötet werden nicht nur die sogenannten Ungläubigen und Westler, die einen freien und selbstbestimmten Lebensstil oder Lebenswandel pflegen, der Islamisten nicht gefällt. Bedroht sind alle Menschen, die modern und zeitgemäß leben. Vor allem aber Muslime, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was für einen Islam sie leben. Muslime, die daran glauben, dass sie sich irgendwann vor Gott rechtfertigen müssen, die Liebe und Barmherzigkeit in der Religion suchen, statt Hass und Mord: Sie sind die Zielscheibe von Islamisten, aber auch von deutschen Rassisten und Nationalisten. Friedliche, demokratische Muslime werden also von beiden Seiten bedroht. Auch hier in Deutschland.
Angst ist ein schlechter Berater
Kann man sich in dieser Situation als Muslimin sicher fühlen? Nicht wirklich. Wir suchen Schutz und Trost bei unseren deutschen Freundinnen und Freunden und bei verbündeten Muslimen. Die aktuelle Politik in Sachen Islam in Europa und den USA, also im sogenannten freien Westen, macht mir Angst, ebenso wie die radikalen Islamisten mir Angst machen. Angst ist ein schlechter Berater. Aber sie ist da, ganz nah und ganz konkret. Gott helfe uns!
