"Liebe für alle, Hass für keinen"
Barcelona, Turku, Rotterdam - Europa kommt nicht zur Ruhe. Und manch einer fragt sich: Wann schlagen islamistische Attentäter wieder in Deutschland zu? Auch die muslimische Community macht sich Sorgen. Denn der Terror betrifft Muslime wie Nichtmuslime. Friedliche Muslime müssen sich mehr denn je stark machen für einen gewaltfreien Islam, meint Khola Maryam Hübsch.

Ein Kommentar von Khola Maryam Hübsch
Stellen Sie sich vor, 40.000 Muslime kämen in Deutschland zusammen, um sich zum "Kalifen" des sogenannten "Islamischen Staates" zu bekennen. Um Hasspredigern zuzuhören und sich auf den Kampf gegen sogenannte "Ungläubige" einzuschwören. Es wäre ein Skandal, alle wüssten davon. Kommen dagegen 40.000 Muslime zusammen, um für den Frieden zu beten und einem Kalifen zu folgen, der sein theologisches Manifest zusammenfast in den Worten "Liebe für alle, Hass für keinen", dann erfährt das kaum jemand. Oder haben Sie schon einmal von der Jalsa Salana gehört?

Seit 42 Jahren findet diese größte muslimische Versammlung in Deutschland statt. Am Freitag eröffnet der Kalif der muslimischen Strömung "Ahmadiyya Muslim Jamaat" die diesjährige Jalsa in Karlsruhe feierlich mit dem Hissen der deutschen Flagge. Statt Hass zu predigen, lauten die Themen der Reden dieses Jahr etwa: "Liebe und Loyalität zum Land sind Teil des Glaubens" oder "Freiheit und Selbstverwirklichung im Islam".
Der Terror hat diverse Ursachen
Die Botschaft ist unmissverständlich: Der Terror im Namen Allahs ist barbarisch und widerspricht den Grundprinzipien der islamischen Religion, die auf Barmherzigkeit fußt. Die Ahmadiyya fordert einen Bruch mit einer Theologie der Gewalt und Intoleranz, die es nicht zuletzt dank des Exports der wahabitischen Ideologie der Saudis in den Mainstream geschafft hat. Auf der Jalsa heißt es: Die Trennung von Staat und Religion sowie die Glaubens- und Gewissensfreiheit sind aus dem Koran abzuleiten.
Doch der Terror hat nicht nur theologische Ursachen. Warum werden weiterhin gigantische Waffengeschäfte mit den Saudis abgeschlossen, obwohl bekannt ist, dass sie hauptverantwortlich sind für die Verbreitung einer radikalen Islamauslegung? Politische Entscheidungen werden sowohl im Westen als auch in der sogenannten islamischen Welt anhand eigennütziger, wirtschaftlicher Interessen gefällt und nicht anhand ethisch-moralischer Prinzipien. Folge dieser Raffgier ist eine krasse Verteilungsungerechtigkeit weltweit, die den sozialen Frieden gefährdet und sowohl islamistischem als auch rechtspopulistischem Extremismus den Nährboden bereitet.
Offen für Menschen aller Nationen und Religionen
Dass der Dschihad des Einzelnen darin besteht, den eigenen Egoismus zu überwinden und seinen Mitmenschen zu dienen - auch daran möchte die Jalsa erinnern. Die Ahmadiyya-Versammlung in Karlsruhe ist auch in diesem Jahr wieder offen für Menschen aller Nationen und Religionen. "Muslime raus!", skandierten dagegen rechtsgerichtete Identitäre in Barcelona nach dem Terroranschlag. Doch durchgesetzt hat sich dort ein anderer Slogan, der zunächst von Muslimen initiiert wurde: "Liebe für alle, Hass für keinen".
