Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Hannover und Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, sprechen während einer Pressekonferenz im Neuen Rathaus in Hannover zum gemeinsamen Appell gegen Terror, Antisemitismus und Gewalt. © picture alliance/dpa | Ole Spata Foto: Ole Spata
Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Hannover und Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, sprechen während einer Pressekonferenz im Neuen Rathaus in Hannover zum gemeinsamen Appell gegen Terror, Antisemitismus und Gewalt. © picture alliance/dpa | Ole Spata Foto: Ole Spata
Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Hannover und Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, sprechen während einer Pressekonferenz im Neuen Rathaus in Hannover zum gemeinsamen Appell gegen Terror, Antisemitismus und Gewalt. © picture alliance/dpa | Ole Spata Foto: Ole Spata
AUDIO: Gaza-Krieg: Palästinensisch-jüdische Zusammenarbeit in Hannover (5 Min)

Gaza-Krieg: Palästinensisch-jüdische Zusammenarbeit in Hannover

Stand: 03.11.2023 14:59 Uhr

Seit rund 20 Jahren versuchen Juden und Palästinenser in Hannover mit gemeinsamen Projekten und Veranstaltungen, Verständnis für die Sichtweise des anderen aufzubringen. Aber geht das auch in Zeiten wie diesen?

von Michael Hollenbach

In Hannover gibt es eine bundesweit wohl einzigartige Kooperation: zwischen Yazid Shammout, dem Vorsitzenden der palästinensischen Gemeinde in Hannover und Michael Fürst, dem Präsidenten des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.

Langjährige Freundschaft trotz unterschiedlicher Ansichten

Yazid Shammout und Michael Fürst umarmen sich zur Begrüßung. Die beiden verbindet eine langjährige Freundschaft, auch wenn sie sehr unterschiedlich auf die derzeitige Lage und den Krieg im Nahen Osten blicken. Während Yazid Shammout die Bombardierung des Gaza-Streifens als ein Kriegsverbrechen bezeichnet, ist es für Michael Fürst ein völkerrechtlich legitimer Akt der Selbstverteidigung. Aber werden da die gegensätzlichen Positionen nicht zu einer Belastungsprobe für die Freundschaft?

"Nein, unsere Freundschaft basiert darauf, dass wir wissen, dass wir unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema haben. Und trotzdem sind wir befreundet, da wird sich nichts dran ändern", ist sich Shammout sicher. "Dass wir begonnen haben, basiert auf dem Respekt gegenüber dem anderen, ihm zuzuhören, ohne ihn zu unterbrechen. Und das werden wir auch in Zukunft so tun. Und dass wir auch die Empathie aufbringen, die Toten des anderen auch zu beweinen", fügt Fürst hinzu.

"Wir haben nichts gegen Juden"

Trotz der langen Freundschaft - das Betrauern der eigenen Freunde und Verwandten steht momentan im Vordergrund. So leiden die Mitglieder der palästinensischen Gemeinde mit, wenn infolge des Hamas-Terrors nun Ziele im Gaza-Streifen bombardiert werden. "Jeder hat Familie dort, jeder hat Verwandte dort, kennt jemanden dort. Das lässt uns nicht unberührt, und die Bilder sind natürlich schrecklich", sagt der 29-jährige Ismael. Zugleich betont er: "Wir haben nichts gegen Juden, nichts gegen Israelis. Die meisten Israelis sehen den Krieg sehr kritisch. Und ich habe kein Problem, mich mit Israelis zu unterhalten. Mein Appell geht weiterhin dahin, dass das, was man als Judenhass versteht, nicht einen Zentimeter gewähren lässt."

So entschieden sich die palästinensische Gemeinde in Hannover gegen den Antisemitismus abgrenzt, so sehr beklagt sie aber auch eine zunehmende Ausgrenzung. "Wir erleben im Moment, unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Antisemitismus, dass hier Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit, alles am Gedeihen ist. Da müssen wir als Gesellschaft verdammt aufpassen, dass uns das nicht entgleitet", betont der Vorsitzende der Gemeinde Yazid Shammout.

Wer in diesen Tagen für Palästina demonstriere, würde gleich als Hamas-Anhänger diffamiert, meint Ismael: "Es könnte gar nicht ferner von der Wahrheit sein: Hamas repräsentiert nicht die Palästinenser, wir sind gegen Terror, gegen Mord und Totschlag auf beiden Seiten und für eine Waffenruhe. Ich frage mich, wie man es hinbekommt, über fünf Ecken zu denken, wenn man sagt: Ich bin für eine humanitäre Waffenruhe, dass man gleich für die Hamas ist."

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Gemeinsame Gespräche auch in schwierigen Zeiten

In den vergangenen Jahren gab es mehrere Projekte und Veranstaltungen, in denen in Hannover Juden und Palästinenser miteinander geredet haben, um die Sichtweise der jeweils anderen Seite kennenzulernen. Auch Said hat an diesen Veranstaltungen teilgenommen. Sein Bruder lebt mit seiner Familie in dem Flüchtlingslager Dschabalia, das in dieser Woche vom israelischen Militär bombardiert worden ist. Said, der während des Gesprächs mit den Tränen zu kämpfen hat, sagt, er könne sich solch einen jüdisch-palästinensischen Dialog momentan sehr schlecht vorstellen: "Es würde mir jetzt schwer fallen, dass ich mit einem Israeli ein ganz normales Gespräch führe. Ich würde es im Moment absagen."

Sein Freund Ismael kann verstehen, dass man sehr emotional reagiert, wenn Verwandte in Gaza getötet worden sind. Aber er plädiert weiterhin für gemeinsame Gespräche auch in schwierigen Zeiten: "Man hat politische Differenzen, aber: Wir leben in einem Land, wo man eine Diskussion auf sachlicher Basis führen kann, dass man den Dialog führen soll, dass man den anderen aussprechen lassen sollte. Ich finde, gerade in so einer Krisenzeit sollte die jüdische und die palästinensische Gemeinde den Dialog miteinander führen."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 03.11.2023 | 15:20 Uhr

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