Frust und Hoffnung: Junge Muslime und die DITIB
Die Türkei entwickelt sich unter Präsident Recep Tayyip Erdogan immer mehr zu einem autokratischen Präsidialstaat. Doch der deutsch-türkische Islamverband DITIB ist zurzeit selten in den Schlagzeilen zu finden. Das wird sich sicherlich bald ändern. Denn die Diskussionen um den Reformkurs des größten deutschen Moscheeverbandes gehen weiter. Wie erleben das junge Muslime, die sich in der DITIB engagieren? Was bewegt sie?
Von Ita Niehaus
"Die Probleme sind natürlich da. Mitspracherecht auf der Bundesebene, usw. Das, was wir als Jugend jetzt abwarten, ist der Strukturwandel auf Bundesebene." Sümeyra Kilic, 24 Jahre alt und Studentin am Institut für Islamische Theologie in Osnabrück, ist Vorsitzende des DITIB-Landesjugendverbandes Niedersachsen und Bremen. Sie setzt sich für grundlegende Reformen im Bundesverband ein - ebenso wie ihr Vater, der niedersächsische Landesvorsitzende Yilmaz Kilic. Es habe sich zwar einiges getan auf Landesebene, sagt sie, aber das Mitspracherecht sei noch nicht überall umgesetzt worden: "Jugendliche möchten vieles selbst gestalten und sich nicht zuerst die Erlaubnis von den Erwachsenen einholen und danach handeln. Noch immer herrscht dieses Verständnis: 'Die Älteren sind die Respektspersonen, ich bin doch nur ein Jugendlicher.'"
Das Interesse an Religion hat nachgelassen
Freitagvormittag in der DITIB-Moscheegemeinde in Osnabrück: Einige ältere Männer sitzen zusammen und trinken Tee. Auch der 20 Jahre alte Habib Celik kommt regelmäßig in die Moschee. Er ist hier aufgewachsen, hat den Koranunterricht besucht. Nun möchte er als ehrenamtlicher Jugendleiter anderen die Werte des Islam vermitteln. "Das ist schon fast wie im Grundgesetz: Die Ehre des Menschen ist ja unantastbar - das ist im Islam eigentlich genauso. Man soll andere nicht ausschließen. Und das sind Menschen, die genauso denken wie ich. Es ist viel friedlicher als woanders. Man ist freundschaftlicher."
Nach dem Freitagsgebet treffen sich manche Jugendliche regelmäßig mit dem Imam, sprechen über ihren Glauben. Abends unternehmen sie etwas gemeinsam. Das Interesse vieler muslimischer Kinder und Jugendlicher an ihrer Religion aber hat nachgelassen, beobachtet Habib Celik: "Als ich hier noch Koranunterricht hatte, waren wir 300 Schüler - mittlerweile sind es nur noch 50. Das ist ein krasses Beispiel. Das merke ich jetzt als Jugendführer schon. Es ist ein schweres Problem."
So sieht das auch das Gemeindemitglied Maide Gümüs. Es fehlten vor allem Ansprechpartner, die regelmäßig da seien: "Es muss nicht immer dieselbe Person sein, aber dass man Ansprechpartner hat, denen man wirklich vertrauen kann, die ein gutes Vorbild für einen sind."
"Eine von Misstrauen geprägte Stimmung"
Von wirklichen Nachwuchsproblemen allerdings will Emine Oguz, die Geschäftsführerin der DITIB in Niedersachsen und Bremen, nicht sprechen. Man müsse nun, so Oguz, die Jugendarbeit professionalisieren. Aber reicht das? Vor kurzem ist der Vorstand des DITIB-Bundesjugendverbandes geschlossen zurückgetreten. Kritisiert wurden unter anderem eine massive Behinderung der Jugendarbeit und "eine von Misstrauen geprägte Stimmung". Die ehemalige Vorsitzende des DITIB-Bundesjugendverbandes Sümeyra Kilic kann das gut nachvollziehen: "Es hat ein wenig mit der Krise der DITIB zu tun. Es hat sich einfach sehr viel angesammelt. Man hat kein Gehör bekommen nach einer gewissen Zeit, die Motivation ist gesunken, die viele Arbeit, die man reingesteckt hat, wurde einfach kleingeredet und hier und dort wurden einem Steine in den Weg gelegt."
Gegärt hat es also schon länger - auch innerhalb der DITIB-Landesjugendverbände. Doch nur wenig dringt davon an die Öffentlichkeit. "Bei den Landesjugendverbänden kann man das verstehen", so Sümeyra Kilic. "Es gibt einige, die gefragt haben: Warum habt ihr das gemacht? Und andere, die gesagt haben: Dadurch, dass ihr das gemacht habt, habt ihr der DITIB einen Schlag versetzt und habt sie in schlechtem Licht dastehen lassen."
Hoffnung auf eine Wende
Habib Celik und Maide Gümüs haben davon nichts mitbekommen. Auch die Diskussionen um die DITIB und den Einfluss der Türkei verfolgen sie nur noch am Rande. Wie viele andere Jugendliche, die sie kennen, halten sie sich da lieber heraus. Der Frust über die Berichterstattung der deutschen Presse und in den sozialen Medien ist groß. Habib Celik hat sogar seinen Facebook-Account gelöscht: "Um den Islam so in Erinnerung zu behalten, wie ich es gelernt habe als Kind", erklärt er seine Entscheidung. "Und zwar als friedliche Religion. Und mir hier nicht von solchen Idioten das Weltbild zerstören zu lassen."
Noch ist offen, wie der Machtkampf zwischen Traditionalisten und Reformern in der DITIB ausgeht. Sümeyra Kilic will sich weiter engagieren. Zumindest bis Ende des Jahres: "Ich habe noch die Hoffnung, dass die Gespräche, die geführt werden, Veränderungen mit sich bringen, dass die DITIB vor allem diesen Turn kriegt und sich doch noch retten kann."