Hausbesuch beim Schleswig-Holstein Musik Festival
Im Juli und August rotiert das Team vom SHMF rund um die Uhr: Es tingelt von Konzert zu Konzert, betreut Künstlerinnen, organisiert last minute, versorgt Presse und Gäste. Aber was passiert eigentlich in der Zeit zwischen zwei Festivals?
Das vermutlich wichtigste Planungstool des Teams vom Schleswig-Holstein Musik Festival steht im Büro vom Leiter der Konzertplanung Frank Siebert: ein riesiges Whiteboard. Auf geschätzt acht Quadratmetern schlummern sie noch im Dornröschenschlaf: die Namen der Künstlerinnen und Künstler, als ob sie darauf warten, im Festivalsommer wachgeküsst zu werden und dann das SHMF 2022 mit Leben zu füllen. Immerhin 98 Prozent des Programms für den kommenden Sommer stehen laut Intendant Christian Kuhnt schon fest. Da ist etwa das traditionelle Eröffnungskonzert in der Lübecker MuK. Oder Konzerte mit Gregory Porter und Tom Jones, die wegen der Pandemie verschoben werden mussten.
Die Planungstafel, die einen Großteil des Büros von Frank Siebert einnimmt, kennt aber auch schon all die anderen spannenden Namen und Formate - die sind aktuell natürlich noch: topsecret! Nur so viel seit verraten: So mancher Name, der sich mit einem flüchtigen Blick erhaschen ließ, sorgte bei der Autorin dieses Artikels für erhöhtes Herzklopfen! Die offizielle Verkündung des Programms wird traditionell Ende Februar zelebriert. Nur wenige Veranstaltungen sind schon vorher bekannt.
Regelmäßig treffen sich Christian Kuhnt und Frank Siebert für strategische Überlegungen und Updates vor der Tafel, ohne die nichts geht. Das ganze System zu digitalisieren - laut Kuhnt ein Ding der Unmöglichkeit: "Es geht nicht anders, wir kriegen diesen Überblick digital nicht hin und auch das Haptische ist ganz wichtig". Auf der linken und rechten Seite der großen Tafel sind die Festivalorte eingetragen: von Elmshorn bis Kiel, über die Inseln und die Dörfer geht's einmal quer durchs ganze Land. Mittlerweile gibt es so viele Spielstätten, dass sich manche auf der Tafel einen Magneten teilen müssen. In zwei Reihen sind außerdem alle Tage von Anfang Juli bis Ende August tabellenartig aufgeführt.
Schleswig-Holstein Musik Festival: Planung ist alles
Große Ereignisse in Schleswig-Holstein, die zum Beispiel akustisch stören oder die An- und Abreise der Festivalgäste erschweren könnten, werden gleich blockiert. Wie etwa das Wacken-Festival oder Phasen, in denen die Fähren nicht wie gewünscht fahren. Da gibt es einiges zu beachten und so sei auch schon der ein oder andere Fauxpas unterlaufen, gesteht Christian Kuhnt: "Einmal haben wir einfach mit Glücksburg einen Festspielort vergessen bei der Planung. Alles war fertig, das Programm schon veröffentlicht. Das war natürlich extrem unangenehm". Eine Aufgabe für Enigma-Knacker!
Denn: natürlich müssen nicht nur alle Konzertorte berücksichtigt, die Konzerte müssen auch einigermaßen gleichmäßig über die zwei Monate verteilt werden. Manche Spielstätten sind aber nur an bestimmten Wochentagen frei und die Künstlerinnen und Künstler haben selbst noch andere Verpflichtungen und können nicht an jedem beliebigen Tag auftreten. Es soll außerdem eine ansprechend Mischung aus unterschiedlichen Formaten und Uhrzeiten geben. Das Ganze ist also ein sehr dynamischer Prozess: "Vor sechs Wochen sah das Programm noch komplett anders aus", berichtet Frank Siebert.
Auf Magneten werden die Namen der Künstler und Ensembles festgehalten. Ist neben den Namen ein blauer Punkt zu erkennen, ist alles fix - dann darf das Konzert nicht mehr verändert werden. Hängt ein Magnet jedoch schief, bestehe Klärungsbedarf, erläutert Kuhnt das System. Meistens bedeute ein schiefer Magnet, dass es noch Probleme mit der Location gebe: "Wir sind für ein grundsätzliches Hochzeitsverbot zwischen Anfang Juli und Ende August in Schleswig-Holstein", scherzt er. Festivalorte wie Kirchen und Güter sind auch für andere Festlichkeiten gefragt.
Corona stellte das Team vor große Herausforderungen
Das Lübecker Team des SHMF besteht aus rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zusätzlich sind noch zehn Personen in der Kieler Kartenzentrale beschäftigt. Was im Büro von Frank Siebert auf der Planungstafel entschieden wird, beeinflusst letztlich die Arbeit des gesamten Teams. Die Ergebnisse der strategischen Überlegungen werden in eine Software übertragen, auf die alle Mitarbeiter zugreifen können. Ein Stockwerk weiter unten, in den neuen Büroräumen auf dem Gelände der Lübecker Gollan Werft, kann dann zum Beispiel das Marketing die tagesaktuellen Informationen sehen und sich an die Arbeit machen.
So wie Tobias Klatt, der verantwortlich für die Redaktion ist, und Marketingleiter Daniel Weth. Für die beiden geht es vor der Veröffentlichung des Programms in die ganz heiße Phase - etwas antizyklisch zum restlichen Team also. Denn bis dahin müssen Texte recherchiert und geschrieben, Programmhefte und Leporellos gedruckt sein und das Ticketing muss stehen.
Tobias Klatt ist erst seit zwei Jahren Teil des Teams und hat somit noch kein "normal" durchgeführtes SHMF mitgemacht. Er scherzt: "Ich habe mir die besten Jahre ausgesucht. 14 Tage, nachdem mein erstes SHMF-Journal fertig war, konnten wir im Grunde genommen alles absagen." Für ihn geht es schon Anfang September los mit den Überlegungen, wie er die rund 190 Konzerte der kommenden Festivalsaison zum Leben erwecken kann. Zwischen mit Fachliteratur befüllten Regalen müssen Projektbeschreibungen verfasst, Künstlerbiografien recherchiert und Bebilderungen besprochen werden - in enger Abstimmung mit dem Marketing.
SHFM: "Wir glauben an die Musik"
Marketingleiter Daniel Weth hat währenddessen schon den Weihnachtsverkauf im Blick, denn einige wenige Konzerte gehen bereits Ende November in den Vorverkauf, um die Vorfreude anzuheizen, wie er sagt. Sorgen bereiten Weht aktuell die Papierknappheit: "Wir haben große Schwierigkeiten, die Papiermengen für unsere 100.000 Journale zusammenzubekommen", berichtet er. Das Papier, das er schon im Februar brauche, soll erst im März geliefert werden. Da hilft alles nichts: Da müsse nach Ersatzlösungen gesucht werden.
So warten viele neue Herausforderungen auf Weth. Konzerte während einer Pandemie zu verkaufen, das sei ja auch so eine Sache. Da sei man schon dankbar für alles, was mittlerweile routiniert ablaufe, blickt er auf die vergangenen beiden Jahre zurück. Seiner Meinung nach habe das gesamte Team von einer unheimlichen Flexibilität profitiert. Improvisationstalent - das habe man mal intern festgehalten - sei die Stärke des Festivals.
Er habe aber nicht damit gerechnet, dass diese interne Maßgabe das gesamte Team mal so einholen würde. Auf den kommenden Sommer freut er sich schon: "Wir haben jetzt das Gefühl auf etwas Positives hinzuarbeiten, auf etwas, das wieder stattfinden kann", das sei unheimlich motivierend. "Wir glauben an die Musik", fährt Daniel Weth fort. Er kann sich - so wie die vielen treuen Fans des Festivals - Hoffnung auf seinen ersten richtigen SHMF-Sommer machen.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Schleswig-Holstein Musik Festival
