documenta: Kunstwerk mit "klaren antisemitischen Anmutungen"
Die Disskussionen um Antisemitismus auf der documenta fifteen reißen nicht ab. Konkrete Kritik wurde nun an einem Großgemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi geäußert. Ein Gespräch mit Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.
Herr Mendel, Sie waren am Wochenende auf der documenta - wie haben Sie die Ausstellung erlebt?
Meron Mendel: Ich war dort, bevor die Kunstwerke aufgehängt wurden. Von daher war ich ungestört, hatte durchaus einen sehr schönen Tag und habe viele positive Eindrücke von dieser wunderbaren documenta gesammelt. Die böse Überraschung kam erst später, als in den sozialen Medien Bilder von dem Kunstwerk aufgetaucht sind.
Was sieht man auf diesem riesigen Wimmelbild von Taring Padi?
Mendel: An zwei Stellen sind antisemitische Bilder zu sehen. Zum einen ist dort ein ultraorthodoxer Jude, zu erkennen an der jüdische Kopfbedeckung Kippa und seinen Schläfenlocken. Diese jüdische Figur wird sehr negativ dargestellt, mit spitzen Zähnen, mit blutigen Augen und bösem Blick. Es ist auch das SS-Zeichen zu sehen, also alle klassischen antisemitischen Motive. An einer weiteren Stelle ist eine Figur mit Schweinenase zu sehen. Weiter unten ist ein Davidstern zu erkennen, und auf dem Kopf ist das Wort "Mossad" zu sehen. Mossad ist der israelische Auslandsgeheimdienst.
Das ist ein Werk der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi. Können Sie sich erklären, was der Hintergrund dieser antisemitischen Symbole ist?
Mendel: Da ist an mehreren Stellen ein antisemitisches Weltbild zu erkennen. Zum einen die Gleichsetzung von Juden und Nazis - das ist eine typische Täter-Opfer-Umkehr, unter dem Motto: Die Nazis von damals sind die Juden von heute. Zum anderen ist das eine Reproduktion von klassischen antisemitischen Motiven, die wir seit dem Mittelalter kennen. Zum dritten ist es der Versuch, Juden zu diffamieren beziehungsweise sie zu beleidigen, beispielsweise wenn Juden als Schweine gekennzeichnet werden - Schweine gelten im Judentum als unrein und somit ist das die schlimmste Beleidigung der Juden gegenüber.
Sie haben uns schon letzte Woche ein Interview gegeben, und darin ruangrupa in Schutz genommen. Bereuen Sie das jetzt?
Mendel: Nein, ich bereue das nicht, weil es mir nach wie vor wichtig ist, dass niemand aufgrund von Herkunft oder Religion unter Generalverdacht gestellt wird. Ich würde niemals sagen, dass eine Person antisemitisch sein muss, nur weil sie aus Indonesien kommt. Das gilt auch für ruangrupa. Das Kunstwerk stammt zwar nicht von ruangrupa selbst, aber man kann ihnen durchaus vorwerfen, dass in ihrer kuratorischen Arbeit mindestens nicht präzise genug gearbeitet wurde. Offensichtlich ist ihnen dieses Bild mit seinen klaren antisemitischen Anmutungen nicht aufgefallen.
Was muss jetzt passieren? Muss man das Ding abhängen?
Mendel: Ja. Eigentlich wundert es mich, dass sich die documenta bis heute nicht ordentlich dazu geäußert hat. Es wäre dringend notwendig, dieses volksverhetzende Bild abzuhängen und zu entfernen - das gehört nicht in den öffentlichen Raum. Im zweiten Schritt muss geklärt werden, was genau schiefgelaufen ist. In der documenta-Leitung und im Kuratorenteam muss reflektiert werden, warum so etwas auf einem so prominenten Platz, auf dem Friedrichsplatz, direkt gegenüber dem Fridericianum, übersehen wurde, damit sich so etwas nicht wiederholt.
Das Gespräch führte Ocke Bandixen.
Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile hat der Aufsichtsrat der documenta beschlossen, das in die Kritik geratene Gemälde zu entfernen. Das hat der Aufsichtsratsvorsitzende und Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) am Dienstagnachmittag erklärt.
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