Werkansicht: Marcel Duchamp, 3 Stoppages étalon (Drei KunststopfNormalmaße), (1913) 1964, Faden, Leinwand, Glas, Holz, Staatsgalerie Stuttgart, erworben 1985 mit Lotto-Mitteln; © Association Marcel Duchamp /VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: bpk / Staatsgalerie Stuttgart © Association Marcel Duchamp /VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: bpk / Staatsgalerie Stuttgart Foto: Foto: bpk / Staatsgalerie Stuttgart

Von Dadaismus bis Surrealismus: Ausstellung im Sprengel Museum

Stand: 25.03.2022 06:00 Uhr

Die Carl Fredrik Reuterswärd-Sammlung in Hannover ist die größte ihrer Art. Ihre Neubetrachtung bietet jetzt eine Ausstellung im Sprengel Museum, die Reuterswärd im Kontext seiner Zeitgenossen Fahlström und Duchamp zeigt.

von Agnes Bührig

Ein mehr als drei Meter hohes Bild in Öl und Blei auf Glas in einem massiven Holzrahmen: "Das große Glas", entstanden zwischen 1915 und 1923, ist ein Hauptwerk von Marcel Duchamp. Der französische Künstler hinterfragt, wie wir uns Kunst erschließen. Denn neben maschinengleichen, gemalten Figuren blicken wir durch unbemalte Flächen auch auf das Hier und Jetzt. Das hat auch die schwedischen Künstler Carl Fredrik Reuterswärd und Öyvind Fahlström beeinflusst, sagt Mitkuratorin Carina Plath. "Bei Reuterswärd ist es so, dass er sehr stark motivisch - auch mit Wortwitz und Ironie - diese Sachen aufnimmt. Wir haben verschiedene Beispiele, in denen er auf Duchamp Bezug nimmt", erzählt Plath. "Bei Fahlström ist es eher eine künstlerische Haltung: So radikal wie Duchamp das Bild neu gedacht hat und eine neue Formsprache entwickelt hat, fängt auch Fahlström an. Zeitweise schafft er sich mit Fragmenten aus Comicfiguren ein eigenes Vokabular und Werkgruppen, womit er sich vom Habitus her sehr an Duchamp annähert."

Stockholmer Ausstellung "Rörelse i konsten" in Hannover

Werkansicht: Öyvind Fahlström, The Planetarium, 1963, Verschiedene Materialien: Malerei auf Leinwand, Metall, 94 Magnetelemente, gemalt auf ausgeschnittener Vinylfolie, Tusche und Tempera auf Papier, auf Holz aufgezogen, 94 Elemente in Tusche auf Papier, auf Magnete geklebt, Donation de M. Daniel Cordier en 1976, Centre Pompidou, Paris, Musée national d art moderne / Centre de création industrielle; © Sharon AveryFahlström / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Courtesy Aurel Scheibler, Berlin, Foto: bpk / CNAC-MNAM / Philippe Migeat © Sharon AveryFahlström / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Courtesy Aurel Scheibler, Berlin, Foto: bpk / CNAC-MNAM / Philippe Migeat Foto: Foto: bpk / CNAC-MNAM / Philippe Migeat
Öyvind Fahlström: "The Planetarium", 1963, Verschiedene Materialien: Malerei auf Leinwand, Metall, 94 Magnetelemente, gemalt auf ausgeschnittener Vinylfolie, Tusche und Tempera auf Papier, auf Holz aufgezogen, 94 Elemente in Tusche auf Papier, auf Magnete geklebt.

Reuterswärd und Fahlström: zwei Schweden, die in der internationalen Kunstszene der Nachkriegszeit eine Rolle spielten. Mehr als 160 Installationen, Gemälde und Skulpturen umfasst die umfangreiche Ausstellung, die auch internationale Leihgaben aus Institutionen, Galerien und Privatbesitz präsentiert. Die Verzahnung der Werke der drei Künstler wird anhand der Ausstellung "Rörelse i konsten" gezeigt, die 1961 im Kunstmuseum Moderna Museet in Stockholm Bewegung in der Kunst thematisierte. "Was passiert, ist, dass diese Künstler ständig miteinander und in ihren Arbeiten austarieren, welche Bedeutung vorhanden ist, ob Bedeutung wandelbar ist, ob etwas feststeht, was sich lösen lässt am System, an Strukturen, an Festgefahrenem", sagt Mitkuratorin Paula Schwerdtfeger vom Sprengel Museum. "Ich denke schon, dass die geistige Bewegung da auf jeden Fall drin ist."

Reuterswärd, Duchamp und Fahlström hinterfragen Bedeutungen

"Variation", "Business" und "Spiele" lauten Überschriften der Ausstellungsräume, in denen die drei Künstler vorgefundene Bedeutungen von Dingen hinterfragen. "Inter-figures" nennt Carl Fredrik Reuterswärd Bronzeklötzchen, mit denen er Zahlen und Buchstaben durch ihre Zwischenräume sichtbar macht, "Rien ne va plus" den symmetrischen Grundriss einer Kirche, deren eingezeichnete Säulen und Gänge zum Spielbrett werden. Auch in Zeichnungen finden sich neue Blickwinkel, erklärt Schwerdtfeger: "Wir haben eine Arbeit von Fahlström, eine elf Meter lange Zeichnung, die mit Filzstift gemalt wurde, in der einzelne Elemente immer wieder variiert werden und in der es immer wieder darum geht: Was passiert, wenn ich es linksherum drehe und was passiert, wenn ich es rechtsherum drehe? Wenn ich es anders zueinander anordne, wie verschiebt sich die Bedeutung?"

Kunst gegen Krieg und Gewalt: Aktuell wie eh und je

Einfallsreichtum, Wortwitz und Ironie prägen die Arbeiten dieser drei Künstler, Vertreter von Konzeptkunst, Dadaismus und Surrealismus. Und ihre Arbeiten sind heute wieder höchst aktuell: Carl Fredrik Reuterswärds verknotete Pistole - als Zeichnung in der Ausstellung zu sehen - ist ein Aufruf zu Gewaltlosigkeit, Öyvind Fahlströms bunte Landkarten prangern mit Comicfiguren in Zeiten des kalten Krieges staatliche Übergriffe an. Eine Ausstellung, die uns die Welt in neuen Perspektiven zeigt.

Von Dadaismus bis Surrealismus: Ausstellung im Sprengel Museum

Die Ausstellung stellt die Werke von Carl Fredrik Reuterswärd in den Kontext seiner Zeitgenossen Marcel Duchamp und Öyvind Fahlström.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Sprengel Museum
Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover
Telefon:
0511 168 43875
Preis:
7 Euro / ermäßigt 4 Euro; freitags und unter 18 Jahren ist der Eintritt frei
Öffnungszeiten:
Dienstag: 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr
Mittwoch bis Sonntag: 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 24.03.2022 | 14:40 Uhr

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