Eine Halle in moderner Architektur, in der rote Ausstellunswände mit Fotos hintereinander aufgereit sind. © Kunstmuseum Wolfsburg Foto: Kruszewski

"True Pictures?": Bilder von LaToya Ruby Frazier in Wolfsburg

Stand: 30.10.2021 09:29 Uhr

Im Rahmen einer dreiteiligen Ausstellungsreihe unter dem Titel "True Pictures?" zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg Fotografien der US-Amerikanerin LaToya Ruby Frazier. Sie lenkt den Blick auf soziale Ungerechtigkeiten.

von Janek Wiechers

Sie geht mit ihrer Kamera dorthin, wo gearbeitet wird. Oder besser: wo gearbeitet wurde. Immer wieder zieht es LaToya Ruby Frazier in die einst prosperierende Industrieregion, die sich entlang der großen Seen im Norden der USA bis an die Ostküste erstreckt. Nach Michigan, Pennsylvania, Ohio oder New Jersey. Früher blühte dort die Stahlindustrie, wurden Autos hergestellt und Kohle abgebaut.  Die großen Companies aber sind längst abgezogen, produzieren heute woanders. Der Rustbelt - der Rostgürtel - wie die Gegend genannt wird, ist heute eher assoziiert mit Verfall, Armut, und Umweltverschmutzung.  Wie die Menschen leben, die geblieben sind, was sie beschäftigt und bewegt - dafür interessiert sich die 39-Jährige Fotografin LaToya Ruby Frazier. "Ich finde, Arbeiter sind die ehrenwertesten, würdevollsten und wichtigsten Menschen auf der Welt", sagt die Fotografin. "Sie sind es die alles zusammenhalten. Sie sind der sprichwörtliche Herzschlag eines Landes. Sie sind nicht irgendein Nebenprodukt. Nein, es sind die Menschen, die zählen. Und deren Schicksale müssen ans Licht! Ich baue eine Art Archiv all dieser ehrenhaften Geschichten, in denen es schlicht ums Überleben geht." 

Frazier thematisiert Ungerechtigkeiten gegenüber Schwarzen

Frazier gibt Menschen ein Gesicht, die in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung marginalisiert werden. Sie erzählt mit spürbarer Sympathie deren Lebensgeschichten – solche, die in den US-amerikanischen Massenmedien selten vorkommen, wie Frazier sagt. Es sind intime, würdevolle und persönliche Fotos – ausschließlich analog, schwarz-weiß und zumeist im Mittelformat aufgenommen. In ihren Bildern adressiert die Fotografin die Ungerechtigkeiten, die die vor allem schwarzen Menschen aushalten müssen. Es geht um verseuchtes Trinkwasser, schlechte Wohnverhältnisse, vorenthaltene Pensionen, dürftige Gesundheitsversorgung. Es geht um Rassismus, um Depression, aber auch um den Kampf für Gerechtigkeit und das ganz alltägliche Leben, das mitnichten nur furchtbar ist.

Erste umfassende, deutsche Einzelschau von LaToya Ruby Frazier

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt als erstes deutsches Museum jetzt eine umfassende Einzelschau mit Fraziers Arbeiten. "Was ihr Werk ganz besonders auszeichnet ist, dass sie eben teilweise über Wochen und Monate die Menschen begleitet, sie fotografiert, sich ganz intensiv mit ihnen austauscht und an ihrem Schicksal teilnimmt" schildert Andreas Beitin, der Direktor des Kunstmuseums. "Und das vermittelt sie dann eben in ihren Fotografien. Deswegen gibt es auch immer wieder Serien, wo auch Textfragmente noch dazugegeben werden. Damit man auch ganz unmissverständlich nachvollziehen kann, worum es in den Fotografien geht."

Kunstmuseum Wolfsburg zeigt 160 Arbeiten von Frazier

LaToya Ruby Frazier gilt als eine der wichtigsten US-amerikanischen Fotografinnen der Gegenwart. Die Amerikanerin, geboren 1982, wuchs selbst im Rust Belt auf. In einer Stahlstadt namens Braddock in Pennsylvania. Schon mit 17 Jahren begann sie die verfallenden Fabriken und Stadtviertel in ihrer Nachbarschaft zu fotografieren, vor allem aber die Menschen in ihrer Umgebung. Frazier sieht sich selbst in der Tradition von Dorothea Lange oder Gordon Parks, die in der großen Depression vor hundert Jahren die Lebensumstände verarmter US-Amerikaner dokumentierten. Frazier versteht sich dabei nicht einfach als Fotografin, sondern als politische Aktivistin: "Ich denke meine Art zu arbeiten hat etwas Aufständisches. Ich möchte mit meinen Fotos und Texten den Arbeitern und ihren Familien eine Plattform bieten, von der aus sie sich gesellschaftlich Gehör verschaffen können.  Meine Arbeit ist somit auch ein Dienst an den Menschen. Und ich hoffe, dass ich so dazu beitragen kann, echte Veränderungen anzuschieben."

Insgesamt 160 Arbeiten zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg von LaToya Ruby Frazier. Neben frühen, autobiografisch geprägten Fotografien, sind es auch neueste Arbeiten. In einer Serie etwa, die während eines Künstlerstipendiums in Belgien entstand, setzt sich Frazier mit den Schicksalen von Bergarbeitern in der Borinage auseinander. In der einstigen Zechenregion im südwestlichen Belgien fand die Künstlerin ganz ähnliche Geschichten, wie in ihrer Heimat USA.

"True Pictures?" ist eine dreiteilige Ausstellungsreihe. Das Museum für Photographie in Braunschweig, das Sprengel Museum Hannover und das Kunstmuseum Wolfsburg präsentieren in Kooperation zeitgenössische Fotografie aus Kanada und den USA. Zeitgleich eröffnet das Kunstmuseum Wolfsburg die Ausstellung "Menschenbilder", mit Werken aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Video, Fotografie. Sie befasst sich anhand internationaler Positionen mit unserem Bild vom Menschen.

Weitere Informationen
Kunstmuseum Wolfsburg © Wolfsburg Marketing Foto: Wolfsburg Marketing

Kulturpartner: Kunstmuseum Wolfsburg

Das Kunstmuseum Wolfsburg bietet mit seiner großen Ausstellungshalle einen idealen Rahmen zur Präsentation internationaler zeitgenössischer Kunst. extern

 

"True Pictures?": Bilder von LaToya Ruby Frazier in Wolfsburg

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt Fotografien von LaToya Ruby Frazier, die im sogenannten "Rostgürtel" der USA entstanden sind.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
38440  Wolfsburg
Telefon:
(05361) 2669-69
E-Mail:
info@kunstmuseum.de
Preis:
10 Euro/ 8 Euro ermäßigt / 3 Euro (Kinder und Jugendliche von 7 - 17 Jahren)
Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag: 11 - 18 Uhr
Hinweis:
Es gilt die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Im Haus ist eine FFP2- oder medizinische Maske zu tragen.
In meinen Kalender eintragen

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 29.10.2021 | 07:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Fotografie