Kunstdeuter im Horst-Janssen-Museum Oldenburg
Was hat den Künstler, die Künstlerin umgetrieben? Wer entscheidet, was ein Werk bedeutet? Das Horst-Janssen-Museum Oldenburg hat die sogenannten Kunstdeuter dazu aufgerufen, sich auf ihre Weise der Kunst zu nähern.
Der Kunstdeuter Mark Mumm blättert in seinem großformatigen Skizzenbuch im Saal des Horst-Janssen-Museums auf einer Vitrine. Er zeigt seine Skizzen auf dem Weg von einer krakeligen Tierzeichnung über Versuche mit Farbklecksen bis hin zu ausgefeilten Farbstudien. "Ich hatte ein Bambi aus Messing mitgebracht. Dann haben wir begonnen, es blind zu malen, mit Farbe zu malen und haben uns so langsam in den Kunstbereich vorgetastet", erzählt Mumm.
Kunstdeuter in Oldenburg: Werke von Nanne Meyer erklärt von Laien
Mark Mumm ist einer von acht Kunstdeutern der aktuellen Ausstellung im Horst-Janssen Museum. In der Schau "überAll" stellt die Zeichnerin Nanne Meyer mehrere hundert Werke zum Weltall aus. Die Kunstdeuter haben an zwei Wochenenden die Arbeitsweise von Nanne Meyer nachempfunden, sagt die Museumspädagogin Hedwig Vavra-Sibum. Da gebe es verschiedene Methoden, erzählt sie: "Für ein Vermittlungsprogramm wie die Kunstdeuter ist es wichtig, herauszufinden, wie Menschen von ihrer Vorstellung, was Kunst ist, Abstand nehmen können und in ein fließendes Zeichnen kommen. Da ist das Blindzeichnen eine ganz wunderbare Möglichkeit, das fokussierte Auge, das ständig beobachtet und urteilt, ein wenig außer Kraft zu setzen und die Hand mehr ins Tun zu bringen."
Neues Kunstverständnis durch Wochenend-Workshops
Nanne Meyer arbeitet mit dem Zufall. Sie lässt sich von Kaffeeflecken auf Papier inspirieren oder auch von einem Spülschwamm, der in der Spülmaschine an einem Teller festgeklebt ist. Inspirierend für die Kunstdeuterin Christina Hater: "Vorher hatte ich das Gefühl, ich würde überhaupt keine Ideen haben und auf einmal ist es so, dass man ganz viele Ideen und kreativen Anstoß bekommt, was ich sehr schön fand."
Eine Zeichnung hat Christina Hater besonders gut gefallen: ein großes Blatt mit einem filigranen Muster aus Punkten. Es ist dem Hertzsprung-Russell-Diagramm aus der Astrophysik nachempfunden. Auf den ersten Blick scheinbar eine naturwissenschaftliche Grafik - erst dann offenbart sich, dass es hier gar keine Maßeinheiten gibt. Witzig auch der Titel: "DNA der Milchstraße", sagt die Kunstdeuterin. Von dem Projekt habe sie vor allem eines mitgenommen: "Ein anderes Kunstverständnis. Vor dem Workshop war die Kunst, die in die Richtung geht, gar nicht die Kunst, der ich mich hingezogen gefühlt habe. Da habe ich jetzt einen ganz anderen Blickwinkel drauf und eine ganz andere Anerkennung und Freude dran. Das fand ich sehr schön, seinen eigenen Horizont erweitert zu haben."
Kunstdeuter-Führung am 26. März in Horst-Janssen-Museum

Christina Hater spielt in ihrem Skizzenbuch mit Zeichnungen und Buchstaben, ähnlich wie Nanne Meyer. Und auch Mark Mumm ist Pate eines Werkes: einer bunten Zeichnung, die an Umlaufbahnen von Planeten erinnert. Das Besondere: Die Künstlerin zeichnet oft auf Dingen, die sie vorfindet, wie Pappe oder Camembertschachteln. Hier hat sie auf herausgerissenen Buchseiten aus einem Kinderbuch gezeichnet. "Spannend finde ich es, ein bisschen was zu dem Hintergrund zu erzählen, was das zum Beispiel für Buchseiten sind. Sie hat nur einmal die Chance, weil es die Buchseite nur einmal gibt und entweder funktioniert das Bild oder es ist eben nichts geworden", sagt Mumm.
Für beide Kunstdeuter war es ein Highlight, mit Nanne Meyer in einer Videokonferenz zu sprechen und Fragen stellen zu können. Dieses Wissen geben sie in einer sogenannten Kunstdeuter-Führung an das Museumspublikum weiter, erzählt Hedwig Vavra-Sibum: "Die Kunstdeuter sind in ihrer Erfahrung beispielhaft für jeden Besucher. Sie zeigen letztendlich einen Lernprozess an einem Werk, das sie als Pate und Patin übernommen haben und in das sie sich vertieft haben." Die Kunstdeuter-Führung findet am Sonnabend, den 26. März, zwischen 14 und 16 Uhr im Oldenburger Horst-Janssen-Museum statt.
