Eine Hand, die Blumen zerquetschen will. Das Bild ist bunt. © Kristina Schuldt, VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Foto: Uwe Walter, Berlin

Goslar: Werke von Neo-Rauch-Schülerin Kristina Schuldt zu sehen

Stand: 27.07.2022 10:56 Uhr

Malerinnen sind im Kunstbetrieb noch immer eine Seltenheit. Grade solche, die gehandelt und ausgestellt werden. Eine von ihnen ist Kristina Schuldt. Das Mönchehaus Museum in Goslar widmet ihr nun eine Ausstellung.

von Janek Wiechers

Kristina Schuldt ist Malerin aus Leipzig. Sie ist 1980 in Moskau geboren, aufgewachsen in Neubrandenburg, und wurde in Leipzig ausgebildet, unter anderem bei Neo Rauch. Das Mönchehaus Museum für moderne Kunst in Goslar im Harz widmet der Malerin unter dem Titel "Unverwüstlich" jetzt eine Ausstellung. Kristina Schuldt malt farbenfrohe, großformatige Bilder. Ihr Stil, ihre Motive sind sofort wiedererkennbar: Sie malt oft Frauenkörper mit auffälligen Gliedmaßen: Die Beine sind röhrenartig, verknotet, grotesk gestreckt - häufig mit klobigen, schweren Schuhen an den Füßen. Außerdem malt sie den Frauen schwulstige Hände und gekrümmte Finger.

Kristina Schuldt malt weibliche Figuren in Alltagsszenen

Ein gemaltes Bild, drei Frauen sind darauf zu sehen, die durch ein Gitter wollen. © Kristina Schuldt, VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Foto: Uwe Walter, Berlin
Freistunde, 2013, Öl und Tempera auf Leinwand, Courtesy Sammlung Hildebrand / Hildebrand Collection, GS Kunsthalle, Leipzig

Schuldts Figuren sind eingebettet in verschiedene Alltagsszenerien, verwoben mit rankenden Pflanzen, verrenkt und wie eingeflochten in Fahrradrahmen, wie stolpernd über Kopfsteinpflaster. Bettina Ruhrberg, die Direktorin des Mönchehaus Museum Goslar gibt sich begeistert von den weiblichen Figuren Schuldts: "Ich finde es großartig, muss ich sagen. Vor allem, dass es starke Frauen sind. Man sieht, dass sie sich in einem Kampf mit ihrer Umwelt befinden. Diese Auseinandersetzung und diese Resilienz, die diese Figuren ausstrahlen und das Sich-nicht-unterkriegen-lassen, das spürt man und das überträgt sich auch auf den Betrachter."

Kunstwerke sind oft Selbstporträts mit Erfahrungen

Eine Frau mit schwarzen Haaren ist über einen Hocker gelehnt und sitzt dabei auf dem Boden. © Kristina Schuldt, VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Foto: Uwe Walter, Berlin
Verliebtes Mädchen, 2013, Öl und Eitempera auf Leinwand, Courtesy Sammlung Hildebrand / Hildebrand Collection, GS Kunsthalle, Leipzig

Bei ihren Figuren handelt es sich eigentlich fast immer um Selbstporträts, verrät Kristina Schuldt. Ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der Welt, sagt sie, möchte sie übersetzen in universelle Bilder - solche, die exemplarisch stehen können für gesellschaftliche Probleme, die es in größeren Zusammenhängen gibt, so die 40-Jährige: "Ich würde sagen, das durchgehende Thema ist vielleicht die Reibung mit der Umwelt. Ich denke dass alles, was im Privaten passiert auch in größeren Zusammenhängen existiert - als Idee oder Problem. Ich nehme sozusagen Dinge weg und versuche am Ende ein Universalbild zu schaffen."

Malstil von Kristina Schuldt

Schuldts Bilder, die sie mit Öl und Tempera auf Leinwand malt, wirken trotz ihrer Zweidimensionalität sehr plastisch. Die Künstlerin schichtet Motive übereinander, verwebt sie miteinander, übermalt sie. Während an einigen Stellen frühere Schichten sichtbar bleiben, werden sie an anderer Stelle von neuen Pinselstrichen überdeckt. Und auch die Art wie Schuldt ihre Figuren und Objekte ausarbeitet, erzeugt einen starken Eindruck von Räumlichkeit. Immer wieder sind da diese prägnanten, röhrenartigen Gliedmaßen. Sie erinnern an die Malweise von Fernand Léger oder Pablo Picasso - beides Künstler der Moderne, die Schuldt schätzt und deren Art zu malen ihr Kunstverständnis stark geprägt haben: "Ich mache das schon bewusst. Weil ich natürlich die Schöpferin sein will. Aber natürlich ist es auch so, dass ich ein Bildgedächtnis habe. Ich kenne natürlich die ganze Moderne. Manchmal gibt es Tage, da wacht man auf und fühlt sich wie Picasso. Ich kann mich dann mit ihm identifizieren. Es ist ein gewisser Gefühlszustand. Da finde ich dann auch die Entsprechung in der Moderne, also was die Formensprache angeht."

Meisterschülerin bei Neo Rauch in Leipzig

Der Maler Neo Rauch steht in der Galerie "Eigen + Art" vor seiner Arbeit "Die Wurzel". © Picture Alliance / Hendrik Schmidt Foto: Hendrik Schmidt
Der Maler Neo Rauch ist ein international erfolgreicher Vertreter der "Neuen Leipziger Schule". Kristina Schuldt hat bei ihm gelernt.

Wie sehr sich Form und Inhalt bedingen, wie wichtig es ist beides bei der Schöpfung eines Bildes zu denken, das habe sie während ihres Studiums in Leipzig bei Neo Rauch gelernt, sagt Kristina Schuldt. Sie war am Ende ihres Studiums der Malerei und Grafik in Leipzig Meisterschülerin bei dem Malerstar. "Er hat seinen Studenten eigentlich totalen Freiraum gelassen. Das Einzige, was er uns eben gelehrt hat, ist, dass die Form und der Inhalt zusammengehen müssen. Also, dass das Bild formal und was die Komposition angeht, stimmen muss. Und dass man sich auch Gedanken darum macht, worum geht‘s eigentlich. Und dass man durch die Formensprache eben auch näherbringen kann." Dieses grundsätzliche Verständnis der Einheit von Inhalt und Form wird in den Bildern der 40-Jährigen sichtbar. Ansonsten hallt prinzipiell wenig von Rauchs Malweise in Schuldts Arbeiten wider - bis auf die Farbintensität und die Großformatigkeit vielleicht.

Schuldt kopiert ihren Lehrmeister nicht. Ihre Werke sind etwas ganz Eigenständiges. Und sie sticht damit aus dem Heer zumeist männlicher Maler hervor. "In der Meisterklasse, in der ich studiert habe, war ich die einzige Frau. Das kann ich mir nicht erklären. Es müsste eigentlich anders sein. Ich würde mich selbst schon als Feministin bezeichnen. Ob die Kunst jetzt feministisch ist, kann ich nicht genau sagen. Aber ich würde es mir natürlich wünschen."

Neben großen Malereien sind auch Druckarbeiten zu sehen

Neben der großen Malerei sind auch kleinere, grafische Druckarbeiten von Kristina Schuldt im Mönchehaus Museum zu sehen - Werke die sich sonst längst in Privatsammlungen und Museen befinden. "Das sind Bilder aus den letzten zehn Jahren. Von meinem Meisterschülerabschluss bis zum Mai dieses Jahres. Hier im Mönchehaus auszustellen, ist einfach eine total schöne Erfahrung. Die Räume sind schön - und das sind alles Leihgaben. Manche Bilder hat man zehn Jahre nicht gesehen. Da freut man sich auch, wenn man die mal wieder sieht." Die Bilder der Malerin Kristina Schuldt sind bis zum 18. September im Mönchehaus Museum Goslar zu sehen.

Weitere Informationen
Blick auf die Altstadt von Goslar © Colourbox Foto: -

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Das Mönchehaus Museum in Goslar widmet der Malerin Kristina Schuldt unter dem Titel "Unverwüstlich" eine Ausstellung.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Mönchehaus Museum Goslar
Mönchestraße 1
38640 Goslar
Telefon:
05321 – 49 48
E-Mail:
info@moenchehaus.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 11 bis 17 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 27.07.2022 | 09:20 Uhr

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