Kristina Blaschke-Walther © Sprengel Museum Foto: H. Manhartsberger, L. Sieber

Arbeit einer Fotorestauratorin: "permanente Schadensprävention":

Stand: 21.06.2022 10:05 Uhr

Kristina Blaschke-Walther sorgt dafür, dass die Fotokunstwerke im Sprengel Museum Hannover gut erhalten werden. Sie versteht ihre Aufgabe vor allem als eine Art permanente Schadensprävention.

von Anina Pommerenke

Den Arbeitsplatz von Kristina Blaschke-Walther hätte man sich vielleicht etwas anders vorgestellt: Doch statt einer rötlich ausgeleuchteten Dunkelkammer zeigt die diplomierte Konservatorin und Restauratorin mit dem Schwerpunkt Fotografie einen hellen, großen Raum mit einem großen Werktisch in der Mitte.

Die Werkstatt im Sprengel Museum Hannover ist seit September 2016 ihr berufliches Zuhause. "Viele haben von dem Beruf eine ganz romantische Vorstellung", berichtet Blaschke-Walther, "dass man irgendwo in der Werkstatt sitzt und Einzelobjekte restauriert." Das käme inzwischen aber nur im Ausnahmefall vor. Vielmehr sorge sie zusammen mit ihrer Kollegin Franziska Leidig dafür, dass die Fotokunstwerke des Hauses gut erhalten werden und bei Ausstellungen nicht zu Schaden kommen.

Vor 50 Jahren: Gründung der Spectrum Photogalerie

In der Sammlung des Sprengel Museums befinden sich über 13.000 Fotografien und Medienkunstarbeiten. Die Arbeit mit der künstlerischen Fotografie in Hannover fand ihre Ursprünge bereits in den 1960er-Jahren. In diesem Jahr steht ein wichtiges Jubiläum an, denn vor 50 Jahren, 1972, gründete Heinrich Riebesehl gemeinsam mit Peter Gauditz, Joachim Giesel und 20 weiteren Hannoverschen Berufsfotograf*innen die Spectrum Photogalerie und damit eine der ersten deutschen Ausstellungsplattformen, die sich auf das damals vergleichsweise junge künstlerische Medium spezialisiert hatte. Hannover mauserte sich seither zu einer Art Hot Spot der künstlerischen Fotografieszene. Später ging die Spectrum Photogalerie ins heutige Sprengel Museum Hannover über, es folgten wichtige Übernahmen von Dauerleihgaben, Ankäufe und Nachlassschenkungen.

Besonders hervorzuheben ist etwa die Übernahme von mehreren tausend Fotografien und Negativen aus dem Archiv des Fotografen Heinrich Riebesehl als Dauerleihgabe des Landes Niedersachsen im Jahr 2001. Es folgten unter anderem Nachlassschenkungen von Sascha Weidner, Petra Kaltenmorgen und Umbo.

Nur wenige Fotorestaurateur*innen deutschlandweit

Die Stelle von Kristina Blaschke-Walther mag aus heutiger Perspektive als logische Konsequenz erscheinen - ist aber deutschlandweit eine von wenigen. Vergleichbare, rein auf Fotorestaurierung spezialisierte Stellen in Museen gibt es ihrer Kenntnis nach zum Beispiel noch am Museum Folkwang in Essen und am Stadtmuseum in München.

Doch woran liegt das? Blaschke-Walther vermutet, dass es damit zusammenhängen könnte, dass sich die Fotografie als Kunstform erst spät etabliert hat im Vergleich zu anderen Materialitäten. Kunstwerke auf Papier würden an anderen Häusern oftmals konservatorisch von Papierrestaurator*innen mitbetreut. Sie selbst sei nach dem Studium auch eher zufällig durch ein Forschungsprojekt beim Schwerpunkt Fotografie gelandet. Dem ging eine langjährige Ausbildung mit verschiedenen Stationen voraus, darunter eine Buchbinderlehre und ein Studium an der Hochschule der Künste Bern in der Schweiz.

Bandbreite an Techniken in der Fotografie macht Restaurierung nicht leichter

Grundsätzlich sei es schwierig, zeitgenössische Fotografie zu restaurieren, berichtet Blaschke-Walther. Wenn es die Möglichkeit gebe, werde deswegen auch über einen Reprint, also einen Neuabzug, nachgedacht: "Das ist ein sehr heiß diskutiertes Thema, weil eine Restaurierung fast immer sichtbar ist." Das Problem: Heute enthalte das Material in der Fotografie viele Kunststoffe - bei reinem Papier sei es noch eher möglich, etwa einen Riss vergleichsweise wenig sichtbar zu schließen, so die Expertin. Zudem gebe es eine immense Bandbreite an Techniken in der Fotografie, was die Arbeit nicht unbedingt leichter mache. Deswegen verstehe sie ihre Aufgabe vor allem als eine Art permanente Schadensprävention.

Zu hohes Risiko bei chemischen Restaurierungen

Zu ihren häufigsten Aufgaben gehört die Montierung von Fotografien. Denn im gut temperierten Depot liegen bloße Abzüge. Sofern es keine bindende, vom Künstler vorgeschriebene Rahmung gibt, sorgt Blaschke-Walther dafür, dass die Rahmung ohne bleibende Schäden passiert beziehungsweise wieder rückgängig gemacht werden kann. Früher habe man an Fotografien noch viel häufiger chemische Restaurierungen vorgenommen, aber das sei heute eher nicht mehr üblich, weil das oft unberechenbar sei, erklärt sie: "Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Silbergelatineabzug von Umbo aus den 30er-Jahren - und den werfen Sie in ein Bad mit Chemikalien und wissen eigentlich gar nicht, was da genau passiert. Ich möchte das Risiko lieber nicht eingehen!" Außerdem betreue sie den gesamten Leihverkehr der Abteilung Fotografie und Medienkunst, also sowohl die Fotografien, die das Haus verschicke, als auch diejenigen, die für Ausstellungen im Sprengel Museum ankommen.

Die Fotografien, die sich im Depot des Hauses befinden, seien alles Originale - es lassen sich also nicht mal eben neue Abzüge machen, wie man eventuell annehmen könnte. Blaschke-Walther erläutert, dass es dafür in der Fachsprache den Ausdruck "Vintage" gibt. Das bedeute, dass der Abzug zu Lebzeiten des Künstlers kurz nach der Aufnahme entstanden ist und auch vom Künstler autorisiert wurde. "Wir ziehen hier nichts neu ab", sagt Blaschke-Walther. Schließlich habe ein Originalabzug auch immer eine ganz besondere Materialität, das könne man nicht einfach nachmachen.

Fotorestaurateur*in: Ein Beruf mit Zukunft

Dass es in der Fotorestaurierung mit Franziska Leidig nun auch ein Volontariat gebe, sei ebenfalls eine absolute Besonderheit. Blaschke-Walther glaubt, dass der Bedarf nach Restaurator*innen mit dem Schwerpunkt Fotografie und Medienkunst in Zukunft wachsen werde. In der Fotografie gebe es schließlich stets neue Materialien und Verfahren, bei denen man noch gar nicht wüsste, wie sich diese in Zukunft verändern werden. Ebenso beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sie die Medienkunstwerke des Hauses bewahren kann.

Ihre Leidenschaft teilt Blaschke-Walther seit 2017 auch im hauseigenen Sprengel-Foto-Blog, der dem Thema der Fototheorie im weiteren Sinne gewidmet ist. Außerdem bietet sie - wenn es die Objekte hergeben - Führungen zur Materialität von Fotografien durch die Ausstellungen des Sprengel Museums an, um ihr Wissen und ihre Begeisterung für das Thema zu teilen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 18.06.2022 | 08:15 Uhr

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