Ruangrupa-Künstler an der HFBK: Proteste bei Semestereröffnung
Nach 45 Minuten ist die Semestereröffnungsveranstaltung an der Hochschule für bildene Künste (HFBK) in Hamburg abgebrochen worden. Der lautstarke Protest richtete sich gegen die Gastprofessur von Reza Afisina und Iswanto Hartono, die zum mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontierten Kollektiv Ruangrupa gehören.
Der Empfang in Hamburg ist kühl. Es gibt Zwischenrufe wie "Antisemitismus ist keine Meinung" und "Schmeißen Sie die Nazi raus". Protestschilder werden gezeigt. Der lautstarke Protest richtete sich gegen die Gastprofessur der beiden Mitglieder von Ruangrupa. Das indonesische Künstlerkollektiv hatte die diesjährige documenta kuratiert, auf der mehrere Werke mit antijüdischen Stereotypen zu sehen waren. Zudem wird ihnen eine Nähe zur Israel-Boykottbewegung BDS vorgeworfen.
Reza Afisina und Iswanto Hartono waren am Nachmittag in Hamburg eingetroffen und hatten beteuert, sie seien keine Antisemiten. Doch das reichte vielen nicht. "Wenn man sich auf die Fahne schreibt, politische Kunst zu machen, dann bekommt man auch mit, was der BDS ist und was sie machen", sagt Jan Schneidereit, der bei der Semester-Eröffnungsfeier dabei war, im Deutschlandfunk. "Dann sollte man sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben." Schneidereit hat an der HfbK studiert und gehört zum Sprecherteam des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Auf die Boykottbewegung BDS angesprochen, unterstrichen Reza Afisina und Iswanto Hartono am Mittwochnachmittag im Gespräch mit NDR 90,3, dass sie jede Form von Gewalt und Diskriminierung ablehnen. "Wir verurteilen jede Form von Diskriminierung und Rassismus, genauso wie Tötungen und Gewalt", so Hartono.
HFBK-Präsident: "Kuratoren sind keine Antisemiten"
HFBK-Präsident Martin Köttering versuchte bei der Auftaktveranstaltung, die Protestierenden zu beschwichtigen. Er betonte, dass Antisemitismus an der Hochschule keinen Platz habe. "Diese beiden Kuratoren sind keine Antisemiten", sagte er über Reza Afisina und Iswanto Hartono. Als er das Mikrofon nach etwa 40 Minuten den Protestierenden überließ, löste sich die Versammlung schnell auf. Die Vorstellung eines weiteren neuen Lehrenden konnte nicht mehr stattfinden.
"Ich finde es nicht richtig zu sagen: Wir sind ein Kollektiv und ein paar machen das - und wir halt eben nicht", kritisiert Jan Schneidereit. "Wenn man gemeinsam auftritt und Werke zeigt, auf denen Schweine mit Davidstern auf dem Helm gezeigt werden, dann haben wir es hier mit Antisemitismus zu tun." Jan Schneidereits Kritik bezieht sich auf Werke mit antijüdischen Stereotypen, die nicht von Ruangrupa erstellt, aber auf der von Ruangrupa kuratierten documenta ausgestellt worden sind.
Israelische Gastprofessorin Gilly Karjevsky unterstützt Gastprofessur
Reza Afisina und Iswanto Hartono fühlen sich missverstanden. "Wir sind keine Antisemiten. Wir sind weit davon entfernt", beteuert Hartono. "Wir sind hier, um den Dialog fortzusetzen - mit allen, die reden wollen."

Unterstützung bekommen sie dabei von der israelischen Gastprofessorin Gilly Karjevsky. Sie sagt, man müsse zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus unterscheiden. Israelin sein und Jüdin sein, das sei ein Unterschied. Und genau das sei der wichtige Punkt. Sie findet den Angriff gegen die beiden Künstler traurig und hysterisch: "Ich rufe uns alle dazu auf, sich die Zeit zu nehmen, diese Gespräche zu führen."
Ruangrupa-Mitglieder wollen mit jüdischer Gemeinde sprechen
Ihre Gastprofessur verstehen Reza Afisina und Iswanto Hartono nicht als Unterricht von oben nach unten, sondern eher als eine Dialogplattform. Auch mit der jüdischen Gemeinde in Hamburg möchten sie sprechen, diese hatte die Berufung der beiden Männer aus Indonesien als "Schande für Hamburg" bezeichnet. Hartono und Afisina sagen, in jeder menschlichen Beziehung gebe es eine Möglichkeit sich anzunähern. "Nach Vergebung zu suchen, ist eine humane Geste", sagt Reza Afisina.
Kunsthochschule will mit Ruangrupa über BDS sprechen

An der Kunsthochschule spürt man Nervosität nach der Diskussion der vergangenen Tage. "Ich finde es ist wichtig, über den real existierenden Antisemitismus im Kunstfeld zu sprechen", sagt Nora Sternfeld, Professorin für Kunstpädagogik. Sie war auch documenta-Professorin in Kassel und begrüßt den Besuch der Ruangrupa-Künstler. Sie sieht aber auch Redebedarf. "Auch darüber zu sprechen, dass es BDS als Boykottbewegung gibt. Was es bedeutet, Leute zu boykottieren, weil sie mit einem Staat in Verbindung stehen. Und warum das in diesem Fall eben sehr viel öfter gemacht wird als im Fall von allen anderen Staaten."
Schon in Kassel haben sie zur Halbzeit der documenta ein intensives Gespräch mit der jüdischen Gemeinde geführt. Sie glaubt, "dass die HFBK genau der richtige Ort ist, um - ernsthaft und ohne es zu überspielen - über diese Fragen zu diskutieren."
HFBK-Präsident bietet persönliche Gespräche an
Den Forderungen, die Gastprofessoren auszuladen, will die Hochschule für bildende Künste weiterhin nicht nachkommen. Hochschulpräsident Martin Köttering hat den Protestierenden persönliche Gespräche angeboten.
Dass im Lehrplan von Ruangrupa für die israelkritische BDS geworben wird, hält er für völlig ausgeschlossen. Die Berufung der beiden Künstler ist für die einen ein Ärgernis, für andere eine Chance. "Wir sind hier, um zu reden", sagt Iswanto Hartono lächelnd. "Ansonsten wären wir nicht hier."
Mit Informationen von Peter Helling.
