Ausstellung "Atmen" in Hamburg: Die Kunst des Unsichtbaren
Stoßseufzer, Schnappatmung, Hauch: Die Kunsthalle Hamburg befasst sich in ihrer neuen Ausstellung mit dem "Atmen". Mehr als 100 Werke werden miteinander in einen teils epochenübergreifenden Dialog gebracht.
Rund 40 Stufen sind’s hinauf zur Hamburger Kunsthalle. Da spürt man, dass man lebt. Ein- und ausatmen. Was wir draußen so selbstverständlich und unbewusst tun, wird drinnen zum Mittelpunkt der Kunst aller Genres und Epochen.
Etwas Unsichtbares greifen
Im Foyer tanzen Seifenblasen von der Decke herab. Zerbrechlich. Vergänglich. Der Atem einer Maschine hat sie zum Leben erweckt. Eine Installation der Mexikanerin Teresa Margolles.
"Es ist eine große Herausforderung für die Kunst, etwas Unsichtbares greifen zu wollen, sich dem anzunähern. Es gibt natürlich tradierte Bildmotive: Die Seifenblase, Strahlen oder Verwirbelungen, also Bewegungen, die sozusagen den Lufthauch ausdrückt", sagt Brigitte Kölle. Sie leitet die Gegenwartskunst im Haus und hat die Ausstellung mitkuratiert.
Dialog der Jahrhunderte in der Hamburger Kunsthalle
Muschelbläser, flötende Knaben, rauchende Denker: Beliebte Motive der Alten Meister wie Hendrick ter Brugghen oder Hendrick van Someren treffen in dieser Themenausstellung auf Zeitgenössisches wie die Fotografien von Natalie Czech, die die Markennamen von Zigarettenstummeln - quasi Atemabfall - zu euphemistischen Minimal Poems zusammenfügt.
"Mary Long
Life
So long.
Fact
True
Fact"
Natalie Czech
"Atmen": Corona-Pandemie und George Floyd als Ideengeber
Atmen ist zuallererst Leben. Die Idee zur Ausstellung bekam Brigitte Kölle während der ersten Monate der Corona-Pandemie. Zum einen gingen ihr die beklemmenden Bilder von Menschen an Beatmungsmaschinen nicht aus dem Kopf, zum anderen machte die Tötung von George Floyd dramatisch klar, was passiert, wenn uns die Luft genommen wird.
"Dieser Satz, den er 27 Mal ausgesprochen hat: "I can't breathe" - Ich kann nicht atmen. Da ist mir bewusst geworden, wie wichtig das Atmen ist, und wie sehr es jenseits eines biologischen Prozesses auch gesellschaftspolitische Machtverhältnisse vermittelt", erzählt Kölle. Am 19. November sind George Floyds letzte Worte als Lichtprojektion von Jenny Holzer draußen auf den Gebäuden der Hamburger Kunsthalle zu sehen.
Atem macht Kunst sichtbar
Neun Metallspiegel an der weißen Wand. Wir sehen zunächst nur uns selbst. Sobald wir herantreten und sie anhauchen, werden einzelne Porträts sichtbar: Menschen, die in Kolumbien Opfer politischer Gewalt geworden sind. Mit seiner Arbeit "Aliento" weckt Oscar Muñoz flüchtige Erinnerung. Atem lässt etwas entstehen.
18,5 Stunden auf dem Fahrrad und nie außer Puste
Ein Lautsprecher in einem kleinen Raum. Wer zuhört, bekommt sofort Gänsehaut. Wenn wir Atmen, Räuspern, Schmatzen so nah und laut hören, hat das etwas Intimes. "Durch die Aktivität entwickelt sich ein eigener Takt und ein eigener Rhythmus, der steigert sich mal und nimmt wieder ab. Das ist ja auch gebunden an diese Handlung", sagt Sebastian Stumpf.
Er hat sich selbst aufgenommen, 18 Stunden und 32 Minuten: eine Fahrradfahrt von seinem Atelier in Leipzig bis zum Hamburger Ausstellungsraum, in dem seine Klanginstallation jetzt zu hören ist. Mit beeindruckender Ernsthaftigkeit hat er seine Idee durchgezogen. Wer sehr viel Zeit mitbringt, hört aber vielleicht sogar mehr als nur seinen Atem: "Es gibt kurze Szenen, wo ich jemanden frage, ob er mal meine Wasserflasche auffüllen kann, der gerade mit einem Wasserschlauch den Garten wässert", erzählt Stumpf. Außer Puste scheint er jedenfalls nie.
Ausstellung "Atmen" in Hamburg: Die Kunst des Unsichtbaren
Stoßseufzer, Schnappatmung, Hauch: Die Kunsthalle Hamburg befasst sich in ihrer neuen Ausstellung mit dem Atmen.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Hamburger Kunsthalle
Glockengießerwall 5
20095 Hamburg - Preis:
- 14 Euro, ermäßigt 8 Euro
- Öffnungszeiten:
- Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr
Donnerstag 10-21 Uhr