Alexander Klar vor der Hamburger Kunsthalle © dpa Foto: Ulrich Perrey

Alexander Klar: Hamburger Kunsthalle investiert in die Zukunft

Stand: 18.02.2022 11:35 Uhr

Die "Galerie der Gegenwart" feiert 25. Geburtstag. Anlässlich des Jubiläums haben Besucherinnen und Besucher unter 25 freien Eintritt. Ein Gespräch mit Direktor Alexander Klar über seine Pläne für das Haus.

Die Hamburger Kunsthalle beherbergt eine der wichtigsten öffentlichen Kunstsammlungen Deutschlands. In den drei Gebäuden finden sich Werke aus acht Jahrhunderten Kunstgeschichte. Die jüngsten von ihnen kann man in der "Galerie der Gegenwart" erleben, die in diesen Tagen ihren 25. Geburtstag feiert. Wie man heute ein möglichst breites Publikum für Kunst erreicht, berichtet Alexander Klar, der seit drei Jahren als Direktor mit der künstlerischen und wissenschaftlichen Leitung des Hauses betraut ist.

Alexander Klar, Sie sind seit 2019 Direktor der Hamburger Kunsthalle, deren "Galerie der Gegenwart" in der kommenden Woche 25 Jahre alt wird. Die Galerie ist mit 5.600 Quadratmetern Fläche eine der größten Bauten für zeitgenössische Kunst in Deutschland. Normalerweise ist es ja so, dass das Geburtstagskind Geschenke bekommt. Sie haben es ein bisschen umgedreht, indem sie gesagt haben: Alle, die unter 25 sind, dürfen kostenfrei die "Galerie der Gegenwart" besuchen.

Alexander Klar: Ja, das ist aus dem interessanten Erleben geboren worden, dass wir im Herbst wahnsinnig viele junge Leute bei uns hatten, und das hat sich seit dem Lockdown spürbar geändert. Danach kam auf einmal eine ganz andere Generation zurück. Das kann damit zu tun haben, dass wir auf Instagram sehr weitreichend unterwegs sind. Mit 95.000 Followern sind wir, glaube ich, in Deutschland das Museum mit dem größten Verbreitungsgebiet. Dann fiel einem irgendwie auf: Da sind aber die, die bis 25 Jahre alt sind, eher nicht dabei.

Und dann kam plötzlich die Erkenntnis: Das stimmt, ich bin mit 23 Jahren auch mal vor dem "Victoria and Albert Museum" gestanden und habe diese 14 Pfund, die man damals zahlen sollte, einfach nicht zahlen wollen, obwohl ich gerade Kunstgeschichte studierte. Dann habe ich mit Norbert Kölle, dem Geschäftsführer, einfach mal kräftig durchgerechnet und festgestellt: Das wird uns nicht die Bilanz versauen, wenn wir jetzt sagen, wir laden eine Besuchergruppe ein, die es bis jetzt einfach nicht in die Kunsthalle geschafft hat. Da ist halt der Riegel mit 14 Euro recht hoch. Kaum haben wir das verkündet, haben wir an den Wochenenden, am Samstag, 200 junge Leute unter 25, die wahrscheinlich sonst nicht gekommen wären. Die werden später bestimmt wiederkommen und dann auch zahlen. Insofern wird uns das unsere Bilanz nicht verhageln.

Also eine Investition in die Zukunft.

Klar: Genau so habe ich es auch dem Geschäftsführer verkauft, der auch nicht zum Jagen getragen werden musste. Aber wir müssen natürlich Geld verdienen - anders als viele andere deutschen Museen. Und da ist jede Entscheidung dieser Art schon wohldurchdacht.

Sie haben ja gleich nach ihrem Amtsantritt dafür gesorgt, dass die Türen von der "Galerie der Gegenwart" wieder aufgemacht worden sind. Lange vorher war es so, dass man nur unterirdisch in das Haus hineinkommen konnte, also über die alte Kunsthalle. Stichworte Barrieren abbauen: Haben Sie das Gefühl, dass das auch noch mal dazu beigetragen hat, dass gerade in diesen Bau mehr Menschen kommen als davor?

Klar: Definitiv ja. Ich habe das Haus besucht um die Zeit herum, als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, mich als Direktor vorzustellen. Da bin ich mal nach Hamburg gefahren - einfach, weil man auch im Kollegenkreis herumgefragt hat: "Würdet ihr an die Hamburger Kunsthalle gehen, wenn ihr gefragt würdet?" Da haben mehrere gesagt: "Hm, also da gibt es ein paar Probleme. Und eines davon ist die 'Galerie der Gegenwart'. Das ist ein sehr abweisender Bau." Da habe ich gedacht: "Ich erinnere mich nicht mehr so richtig - fahr mal hin". Ich bin an einem Februartag gefahren und bin um das Gebäude herumgegangen und stellte fest: "Tatsächlich, die Tür ist zu, das ist ja irre". Und die Fenster waren innen verplankt - man blickte von draußen auf eine Art Fort Knox. Und dann habe ich später nachgelesen, dass das Sparbestimmungen zu irgendeinem Zeitpunkt waren. Es waren herleitbare Dinge, die sich aber dann subsumiert haben zu einem wirklich abweisenden Charakter dieser "Galerie der Gegenwart". Ich denke genau andersherum: Ein Museum sollte maximal offen sein. Man sollte gar nicht merken, wie man ins Museum reingeht. Und dann war das fast schon programmatisch, obwohl es fast zu billig ist, um programmatisch zu sein.

Am Anfang stand der Satz: Wir machen die "Galerie der Gegenwart" auf. Wir öffnen den Eingang, wir öffnen die Fenster - das ist alles fast schon zu dämlich, um Programm zu sein. Auf der anderen Seite wurde es über Jahre hinweg einfach zugebaut, damit man Wandfläche hat. Die Kuratorinnen in der "Galerie der Gegenwart" haben sofort gesagt: "Klar machen wir das auf. Das wollten wir eigentlich auch schon immer". Und tatsächlich ist der Ungers-Bau schon eine schwierige Nummer. Das wirkt so ein bisschen wie beim "Planet der Affen". Da ist irgendwie ein Ding am Strand runtergefallen und steht da. Das ist nicht warmherzig, das ist kühl bis an den First. Aber nicht, wenn man die Fenster aufmacht. Nicht, wenn er leuchtet im Winter. Nicht, wenn der ein bisschen spielerisch ist. Wir haben ja oben diesen Text "I don't believe in dinosaurs" von Moritz Frei. Wir bespielen die Werbefläche - wobei das keine Werbung ist, das ist ja Kunst. All das macht dieses Gebäude auf einmal wahnsinnig lebendig und dreht den Ungers um. Und da wird es dann schon programmatisch: Wie spielt man mit Raum? Wie spielt man mit Architektur und der Sammlung?

Moderation: Katja Weise

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 18.02.2022 | 13:00 Uhr

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