Solisten und Chor bei einer Demo - Szene am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bei der Naturoper "Wölfe" © Staatstheater Mecklenburg / Silke Winkler Foto:  Silke Winkler

Naturoper "Wölfe" hinterfragt Ansichten über die Raubtiere

Stand: 25.06.2022 01:10 Uhr

Am Mecklenburgischen Staatstheater sind die "Wölfe" los! Die dokumentarische Naturoper hat Uraufführung gefeiert. Bis zum 10. Juli ist sie noch sechs Mal im Rahmen der Schlossfestspiele zu sehen.

von Axel Seitz

Mit "Wölfe" hat am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin eine Inszenierung ihre Uraufführung gefeiert, die sich dem Wolf in unserer gegenwärtigen Zeit nähert. Hintergründe über die dokumentarische Naturoper aus Mecklenburg.

Politikum und Archetypus: Jeder glaubt, den Wolf zu kennen 

Mal führt er ein naives Mädchen hinters Licht, dann frisst er gleich sechs Geißlein auf einmal, er zieht aber auch im Dschungel ein Findelkind auf: der Wolf. Zweifellos dürfte wohl fast jeder diesem "Canis Lupus" in irgendeiner literarischen Form schon mal begegnet sein. Sergei Prokofjew setzte dem Wolf in einem Musikmärchen von 1936 an der Seite des kleinen Peter gewissermaßen ein musikalisches Denkmal.

Die sieben Solisten am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bei der Naturoper "Wölfe" © Staatstheater Mecklenburg / Silke Winkler Foto:  Silke Winkler
"Der Wolf ist unsere Folie, über den Menschen zu erzählen", sagt Regisseurin Nina Gühlstorff.

Der Wolf ist zurück in Deutschland, in Mecklenburg: im 21. Jahrhundert. Jeder glaubt ihn zu kennen: Die Aktivistin, die Forscherin, der Jäger, die Schäferin, der Politiker. Regisseurin Nina Gühlstorff hat sich in den vergangenen knapp zwei Jahren mit dem Thema Wolf beschäftigt: "Der Wolf ist einerseits Politikum, andererseits aber auch ein Archetypus, der uns alle anspricht. Ich habe Interviews in Mecklenburg geführt. Man hat sofort gemerkt, dass eigentlich bei fast allen Leuten das Faktenbasierte relativ schnell verlassen wurde und relativ schnell auch eine Erzählung dazu kommt."

Die Aktivistin verklärt ihre Liebe zum Wolf, der Jäger möchte sein Gewehr einsetzen, die Schäferin sorgt sich um ihre Tiere, der Politiker pocht auf Regelungen. In der Stadt sind die Meinungen zum Teil völlig anders als auf dem Land: "Eine Biologin hat mal gesagt, sie hat nicht viel über den Wolf gelernt, aber sehr viel über den Menschen. Insofern ist der Wolf unsere Folie, über den Menschen zu erzählen. Es ist ein bisschen ein Thema, wie Windräder. Man hat das Gefühl, man muss sich positionieren."

Regisseurin Nina Gühlstorff: Lange Recherche für dokumentarische Oper

Morgane Heyse singt in der Rolle der Aktivistin in der Oper "Wölfe" am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin © Jens Büttner/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner
Eine Wölfin (Morgane Heyse) führt durch das Märchenland.

Nina Gühlstorff wollte kein Schauspiel auf die Bühne bringen, sondern hat sich für eine dokumentarische Oper entschieden: "Es wird sehr viel emotionaler. Die Polarisierung und die Brüche sozusagen, die sind ja dann nicht mehr so sehr im rationalen, sondern im irrationalen Bereich. Im zweiten Teil gehen wir ins Unterbewusste rein. Wir haben keinen Wolf, aber eine Wölfin, die uns in dieses Märchenland begleitet. So etwas ist natürlich immer leichter mit Musik zu erzählen."

Musik des Auftragswerks "Wölfe" von Estin Helena Tulve

Solisten und Chor bei einer Demo - Szene am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bei der Naturoper "Wölfe" © Staatstheater Mecklenburg / Silke Winkler Foto:  Silke Winkler
Das Parkett des Großen Hauses ist überbaut, ein Teil des Publikums sitzt auf einer grünen Wiese, eine Brücke führt in einen märchenhaften Wald auf der Bühne.

Die Musik für die Oper stammt von Helena Tulve. Die 50-jährige Estin hat bereits 2004 eine Kammeroper komponiert. So eine große Produktion wie jetzt in Schwerin ist aber für Tulve eine Premiere, für die sie sich in ihrer Heimat Estland - wo der Wolf seit 2018 Nationaltier ist - vorbereitet hat: "Ich war bei einer Art Waldführung dabei mit einem Wolfsführer, in den estnischen Sümpfen. Den Wolf habe ich nicht gesehen, aber wir haben seine Spuren gesucht".

Ihre kleine Gruppe hätte gesehen, wie die Wölfe im Wald lebten. "Wir haben den Platz gesehen, wo sie nachts schlafen und haben sie auch gehört! Das heulende Wolfsrudel im Wald. Das war eine spannende Entdeckungstour."

So hätte sie die einzelnen Charaktere erkunden: ihre Gedanken und Sichtweisen, erzählt die Komponistin. "Das hat mir großen Spaß gemachen, mich in die Position des Schäfers, des Jägers oder der Aktivisten hineinzuversetzen - mit ihren unterschiedlichen Gefühlen und Reaktionen."

Eine Brücke führt in einen märchenhaften Wald

In der Schweriner Inszenierung ist das Parkett des Großen Hauses überbaut, ein Teil des Publikums sitzt auf einer grünen Wiese, eine Brücke führt in einen märchenhaften Wald auf der Bühne. Ob Solisten oder Zuschauer - alle können sich fragen: Wollen wir Wolf oder Schaf sein? Ist das Lamm weiß? Ist der Wolf schwarz? Rotkäppchen tritt auf und wird nicht gefressen.

Das Ensemble am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bei der Naturoper "Wölfe" © Staatstheater Mecklenburg / Silke Winkler Foto:  Silke Winkler
Eine Wölfin begleitet das Opernpublikum durchs Märchenland. Die Musik hat die 50-jährige Helena Tulve im Auftrag komponiert.

Diese Naturoper ist ein musikalisches Erlebnis, sie hinterfragt Urteile und Ansichten, die Besucher sind mittendrin in einer aktuellen Inszenierung, die eben dokumentiert, wie es im Untertitel heißt. "Wölfe" am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin zeigt modernes Musiktheater für diejenigen, die sich begeistern lassen möchten.

Naturoper "Wölfe" hinterfragt Ansichten über die Raubtiere

Am Mecklenburgischen Staatstheater hat die dokumentarische Naturoper als musikalisches Erlebnis Uraufführung in Schwerin gefeiert.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Mecklenburgisches Staatstheater
Alter Garten 2
19055 Schwerin
Telefon:
(0385) 53 00 123
E-Mail:
kasse@mecklenburgisches-staatstheater.de
Preis:
25 Euro auf allen Plätzen
Hinweis:
Dokumentarische Naturoper aus Mecklenburg von Helena Tulve und Nina Gühlstorff Uraufführung
Auftragswerk des Mecklenburgischen Staatstheaters
Komposition: Helena Tulve
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 23.06.2022 | 06:20 Uhr

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