Wie zwei junge Schauspieltalente auf ihren Beruf blicken
Das Ernst Deutsch Theater in Hamburg gilt als Talentschmiede. Wir haben zwei junge Darsteller des Stücks "Harper Regan" getroffen, die sich sich weder von einem Virus noch von alten Sehgewohnheiten unterkriegen lassen.
Gleich müssen sie in die Maske, die Vorstellung beginnt in anderthalb Stunden. Lennart Lemster spielt Mickey, einen jungen Schluffi in Lederjacke, der sich urplötzlich als knallharter Antisemit entpuppt. Neben ihm sitzt Yann Hendrik Mbiene. Seine Figur heißt Tobias - ein junger Trotzkopf auf der Suche nach Perspektiven.
Yann Hendrik Mbiene über seine erste Rolle
Die beiden Schauspieler haben nur kurze Szenen, aber das Grandiose: Man nimmt es ihnen ab, man lässt sich überraschen. Für den 29-jährigen Yann ist es die allererste Rolle überhaupt. "Es ist einfach Wahnsinn", erzählt er. "Ich hatte gedacht, ich muss richtig viel vorsprechen und wegen Corona wird es noch schwieriger sein. Aber jetzt, wo es geklappt hat: Wow!"
Yann ist 2020 mit der Ausbildung fertig geworden, mitten in der Pandemie. Der 1989 geborene Lennart ist schon seit vier Jahren Profi. Corona hat ihm viel abverlangt: "Es gab nur die beiden Möglichkeiten, Hartz IV zu beantragen oder sich etwas anderes zu suchen", erinnert sich der Schauspieler. "Ich habe das erste halbe Jahr VW-Busse ausgebaut - das war auch eine spannende Erfahrung."
Traumberuf Schauspielerei - trotz schwieriger Arbeitsmarkt-Situation
Nebenbei hat Lennart Musik gemacht und in diesem Jahr fängt er an, Schauspiel zu unterrichten. Mit seinem Beruf gehadert hat er nie: "Tatsächlich nicht, ich bin sehr glücklich, dass ich etwas gefunden habe, für das ich hundertprozentig brenne."
Auch Yann sagt, dass er seinen Traumberuf gefunden hat. Das Theater hat er lange Zeit für viel zu elitär gehalten. Außerdem hätten viele Bühnen keinen Bedarf an neuen Schauspielern, da sie in in der Pandemie ihre eigenen Ensembles beschäftigen müssten. Deswegen sieht er im Film fast mehr Perspektiven für sich.
Ernst Deutsch Theater bemüht sich um diverses Ensemble
Geboren wurde Yann wurde 1993 in Kamerun, seit zehn Jahren lebt er in Hamburg. Der schwarze Schauspieler freut sich, dass sich das Ernst Deutsch Theater um ein diverses Ensemble bemüht - eine echte Ausnahme, sagt er: "Das ist so schade. Wenn ich mir das Thalia Theater hier in Hamburg angucke oder nach München oder Berlin blicke, sehe ich: Es gibt immer einzelne Leute, aber noch ist das nicht breit aufgestellt. Es ist für mich als schwarzer Schauspieler einfach ein Traum, auf der Bühne zu stehen, weil ich sehe kaum einen Spiegel!"
Damit meint er andere schwarze Kollegen und Kolleginnen. Immerhin ändere sich gerade etwas, vor allem seit zwei Jahren. "Ich sehe mich auf eine Art auch als Bote", sagt Yann. "Ich habe eine Diskussion mit meinem kleinen Bruder gehabt, der jetzt auch anfängt, Schauspiel zu studieren. Im Gegensatz zu mir hat er viel weniger Rassismus erfahren. Er meinte zu mir: Ich will nicht immer, dass es ständig darum geht, dass ich als schwarzer Schauspieler sagen muss: ‘Und deswegen tun wir das so und so.’ Und ich meinte zu ihm: Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo es ideal ist."
Die Zeiten ändern sich: "Ich bin da!"
Lennart Lemster und Yann Hendrik Mbiene: Die Pandemie hat ihren Traum von der Schauspielkarriere nicht erschüttert, aber sie merken: Die Zeiten ändern sich, ihr Beruf verlangt mehr Flexibilität, neue Geschichten wollen erzählt werden. Darin liegt eine große Chance. Sie wollen vorne dabei sein, wollen mitgestalten. Yann: "Sichtbarkeit ist eine subtile Art, zu den Leuten zu kommen und zu sagen: Ich bin da!"
Schlagwörter zu diesem Artikel
Theater
