Oper Kiel: Vom Statisten zum Regieassistenten
Letztes Jahr stand der Student Raif Jasarovski beim alljährlichen Sommertheater in Kiel noch als tanzender Statist auf der Bühne. Inzwischen ist er bei der Oper Kiel als Regieassistent tätig. Ein Ortsbesuch.
Während sich draußen vor der Salzhalle im Kieler Stadteil Gaarden östlich der Förde Statisten und Schauspieler in der Sonne eine kleine Pause gönnen, ist drinnen auf der provisorischen Bühne ganz schön Hektik angesagt. Denn: In den letzten Proben vor der Sommerpause will Regisseur Daniel Karasek noch einiges schaffen. Immer wieder lässt er sein Ensemble, das noch in Straßenkleidung und mit provisorischen Kulissen probt, Abläufe durchgehen. Wer geht wo lang? In welcher Endposition soll der Chor sich in einer bestimmten Szene aufstellen? Wer geht auf welche Seite? Eigentlich soll sich der Chor in zwei gleich große Gruppen aufteilen und zu den Bühnenseiten gehen, das klappt erst nach mehreren Anläufen.
Auf dem Programm steht beim traditionellen Sommertheater Kiel die Oper Carmen von Georges Bizet. Ab Mitte August ist sie für zwei Wochen an dem gewohnten Ort auf dem Kieler Rathausplatz zu sehen. Während Regisseur Karasek immer wieder auf die Bühne läuft und Details erklärt, weicht Raif Jasarovski ihm nicht von der Seite, der sich fleißig Notizen in einem dicken, mit gelben Post-Its gespickten Regie-Buch macht. Seit Anfang des Jahres arbeitet der ehemalige Statist und Extra-Chor-Sänger am Haus als Regieassistent, mittlerweile sogar in Festanstellung.
Überblick und organisatorisches Feingefühl als Regieassistent*in
Dabei wurde er zunächst förmlich ins kalte Wasser geworfen, erinnert sich Jasarovski an seinen Start Anfang des Jahres zurück. Er sei mitten in eine Produktion eingestiegen und habe zunächst nicht wirklich gewusst, was er eigentlich zu erledigen habe: "Ich kannte zwar die Leute, weil ich vorher hier getanzt habe oder auch schon im Extra-Chor mitgesungen habe, aber da musste ich wirklich erstmal gucken, was ist meine Verantwortung. Was mache ich eigentlich alles?"
Eigentlich wollte der Student der Musikwissenschaft seinen Traum verfolgen und professioneller Sänger werden. Doch diesen Plan hat Corona torpediert, erzählt Jasarovski. Die Stelle als Regieassistent am Theater kam da gelegen. Zu seinen Aufgaben gehört ein großer Teil der Organisation der jeweiligen Produktionen, zum Beispiel Absprachen mit den Regisseuren wie die Probenpläne aussehen sollen, der Austausch mit Technik und Statisten: "Du bist quasi die Stelle, an der alles zusammenläuft. Also musst du wirklich den Überblick haben und das organisatorische Feingefühl."
Regie-Buch unverzichtbar für die Produktion
Auch an diesem Abend kommen immer wieder einzelne Gewerke auf Jasarovski zu. Chordirektor Gerald Krammer möchten die Szene mit dem Männer-Chor nachbesprechen, die für Verwirrung gesorgt hat. Denn die Chormitglieder sind der Meinung, dass eine andere Aufstellung geprobt worden war. Jasarovski prüft daraufhin die Notizen, in seinem Regiebuch: "Ich habe mir aufgeschrieben: dass eine Gruppe nach links und eine Gruppe nach rechts geht."
Mit Bleistift hat Jasarovski Skizzen von der Bühne in seinem Regiebuch notiert - an den entsprechenden Stellen der Partitur vermerkt er sich genau das geplante Geschehen. Das Regie-Buch soll auch helfen, falls Jasarovski mal ausfallen sollte, damit andere die Abläufe auf der Bühne nachvollziehen können und notfalls einspringen können. Dass er selbst noch vor einem Jahr super aufgeregt als Statist bei der Produktion des Sommertheaters dabei war, kommt ihm aus heutiger Perspektive was surreal vor.
Anderer Blick auf das Bühnengeschehen
Schließlich kenne er das Prozedere eher von der Bühnen-Seite, wobei er die Regieassistenten zuvor meistens nicht so sehr wahrgenommen habe, lacht Jasarovski: "Es ist lustig, ich kenne halt alle, denen ich die Befehle gebe." Doch während er letztes Jahr noch ziemlich aufgeregt war, hat er jetzt ein ganz anderes Gefühl, wenn er auf der Bühne steht. Es habe sich schon eine richtige Routine breit gemacht und er habe einen ganz anderen Blickwinkel auf das Bühnengeschehen: "Die Bühne hat so ein bisschen ihr Heiligtum verloren."
Den Traum von der professionellen Sänger-Karriere möchte Jasarovski zwar trotzdem noch nicht ganz aufgeben - doch erstmal hat er in seiner neuen Funktion als Regiesassistent beide Hände voll zu tun.