"Macbeth" in Hamburg: Mörder ohne Lady
"Macbeth" ist Shakespeares vielleicht düsterstes Drama. Am Deutschen Schauspielhaus hat die Regisseurin Karin Henkel das Stück auf die Bühne gebracht - allerdings ohne die Lady Macbeth.
Es ist der Abend von Kristof Van Boven: Er ist der immer irrsinniger wütende König - mit schon zu Beginn blutgefärbten Händen. Nur mit einer Unterhose bekleidet, liegt er allein auf der schwarzen, leicht abschüssigen Bühne. Keine Hexen zu sehen, keine Lady Macbeth, kein König Duncan: Nur ein Mann, der versucht, sich zu erinnern. Hat er schon gemordet? Oder ist er im Wahn? Die Regisseurin Karin Henkel zeichnet von Anfang an das Psychogramm eines Zerrissenen, eines vielleicht Irren, der Stimmen hört und sich seiner nicht sicher ist: Die Prophezeiung der Hexen, Macbeth soll König werden, spricht im Stück ein Mädchenchor.
Lady Macbeth kommt als Figur gar nicht vor
Macbeth nimmt die Prophezeiung ernst, ermordet den Vorgänger. Ein Mord bedingt den nächsten - soweit folgt Karin Henkel dem Plot. Doch konzentriert sie sich ganz auf den von Ehrgeiz und Angst getriebenen Despoten. Die Lady, die ihn bei Shakespeare anstiftet und stützt, kommt als Figur gar nicht vor.
Beim Publikum stößt das auf geteilte Meinungen. "Ich bin sehr froh, dass ich keine hysterische Lady Macbeth auf der Bühne gesehen habe, die kann man heute gar nicht mehr so spielen", sagt ein Zuschauer. "Was mir gefehlt hat, ist die wirkliche Lady Macbeth. Aber die Angst des Mörders und die Verselbstständigung des Mordgedankens sind sehr gut herausgearbeitet", entgegnet ein anderer.
Zerrissenheit des Mörders steht im Mittelpunkt
Mit nur zwei Schauspielerinnen, vier Schauspielern und dem Chor der Mädchen erzählt Henkel ihre Geschichte. Ganze Szenen hat sie gemeinsam mit ihrem Dramaturg neu geschrieben, viel gestrichen, Texte umverteilt. Macbeth ist das Zentrum. Fast möchte man von einem Solo für Kristof Van Boven sprechen - ein enorm wendiger, feinnerviger, intensiver Spieler.
Diese Studie eines Mörders bricht Henkel manchmal durch burleske Szenen, ein betrunkener Pförtner sucht auf der leeren Bühne nach einer Tür, die Mädchen basteln Kronen aus Glanzpapier - das fügt sich nicht immer reibungslos. Mancher Witz wirkt aufgesetzt. Nach der Pause zieht der rund zweistündige Abend an, wird dialogstärker und der Mörder scheint für einen Moment angekommen.
"Macbeth"-Inszenierung am Schauspielhaus überzeugt
Jubel am Ende besonders für Kristof Van Boven ihn, viel Beifall für das ganze Ensemble, zu Recht. Die Regisseurin Karin Henkel hat einen hochspannenden Ansatz gefunden. Auch das Bühnenbild von Katrin Brack ist sensationell. Wie hier an einer beweglichen Stahlkonstruktion befestigte weiße Papiergirlanden in die Länge gefächert und zu Bäumen oder Säulen werden, auf Kissengröße schrumpfen, ganz im schwarzen Bühnenhimmel verschwinden, muss man gesehen haben.
"Macbeth" in Hamburg: Mörder ohne Lady
Die Inszenierung am Schauspielhaus verzichtet komplett auf die Figur der Lady Macbeth. Im Mittelpunkt steht die Zerrissenheit des Mörders.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Deutsches Schauspielhaus
Kirchenallee 39
20099 Hamburg - Telefon:
- (040) 24 87 13
- Preis:
- ab 9 Euro
- Hinweis:
- Darsteller und Darstellerinnen:
Jan-Peter Kampwirth, Lars Rudolph, Angelika Richter, Kate Strong, Kristof Van Boven, Michael Weber.
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