John Neumeier stellt Abschiedsprogramm am Hamburg Ballett vor
Nach 50 Jahren verlässt der dienstälteste Ballettchef der Welt das Hamburg Ballett. John Neumeier hat am Montag das Programm seiner letzten Spielzeit vorgestellt. Auch das Moskauer Bolschoi-Ballett soll 2023 nach Hamburg kommen - allerdings nur unter einer Bedingung.
Hamburg ohne seinen Ehrenbürger John Neumeier als Ballettchef - kaum vorstellbar. "Es ist eine feste Entscheidung. Ich habe mich entschieden, meinen Vertrag nicht zu verlängern", bekräftigte Neumeier bei der Vorstellung des Jubiläumsprogramms heute noch einmal seinen Entschluss. "Als ich vor knapp 50 Jahren nach Hamburg kam, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich in dieser Stadt die längste Zeit meines Lebens verbringen würde, sagte der 83-Jährige am Montag in Hamburg bei der Vorstellung des Jubiläumsprogramm. 1973 hatte August Everding den gebürtigen US-Amerikaner nach Hamburg geholt. Eine Findungskommission der Kulturbehörde beschäftigt sich aktuell mit der Nachfolge des Intendanten.
John Neumeier will weiter arbeiten
In Rente gehen wird John Neumeier natürlich nicht. Er bleibe Intendant des Bundesjugendballetts, das ihm besonders am Herzen liege. Er wird das tun, wonach er sich manchmal so gesehnt habe: als freischaffender Künstler arbeiten. Sein Terminkalender glüht schon, wenn seine letzte Spielzeit im Sommer 2023 vorbei ist: "Die ersten zwei Jahre sind mehr oder weniger jetzt voll mit Aufträgen, Werke zu machen, zu kreieren in verschiedenen anderen Compagnien."
"The World of John Neumeier" auf dem Rathausplatz
Bis zum Abschied hat sich John Neumeier sehr viel vorgenommen. Ein Geschenk an die Stadt zu Beginn: das Hamburg Ballett Open Air auf dem Rathausmarkt. Am 3. September wird umsonst und draußen das Stück "The World of John Neumeier" aufgeführt. "Es ist in einem sehr übertragenen Sinne eine Art getanzte Biografie", verrät der Ballettchef. "Das heißt es sind Ausschnitte aus Werken der letzten 50 Jahre. Durch einen kurzen Text wird auch versucht ein bisschen zu erklären, was diese Werke mit meinem Leben zu tun haben."
"Dona Nobis Pacem" im Dezember an der Staatsoper
Mit Bachs "Dona Nobis Pacem" präsentiert der Hamburger Ballettchef seine vorerst letzte große Premiere an der Hamburgischen Staatsoper. Am 4. Dezember zusammen mit dem Ensemble Resonanz. Dieses besondere Chorwerk sei schon lange in seiner Seele gewesen, bevor Krieg und Frieden wieder so aktuell wurden.
Mit den traditionellen Hamburger Balletttagen zum Ende seiner letzten Spielzeit lässt es John Neumeier 2023 ballettmäßig nochmal richtig krachen: dann gibt es vier Wochen lang Ballett am Stück. 19 Neumeier-Produktionen – eine umfassende Rückschau zwischen "Dornröschen", "Liliom" und der "Matthäuspassion".
Auftritt des Bolschoi-Balletts ist geplant
Eingeladen zu den Ballett-Tagen wurden auch drei Gastcompagnien, die eng mit dem Wirken John Neumeiers verbunden sind: das Royal Danish Ballet mit "Othello", das Stuttgarter Ballett mit "Die Kameliendame" und das Ballett des Bolschoi-Theaters mit "Anna Karenina".
Geplant wurde die Einladung des Bolschoi-Theaters vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Entscheidend sei, dass sich der Direktor des Bolschoi Theaters gegen den Krieg ausgesprochen habe. "Solange Wladimir Urin, Direktor des Bolschoi Theaters bleibt, würde ich versuchen, dass Bolschoi Ballett hierher zu bringen", schildert Neumeier. Wladimir Urin hatte im März in der Zeitschrift "Teatr" einen offenen Brief gegen den Krieg unterzeichnet.
Auftritt des Bolschoi-Balletts steht und fällt mit Urin als Direktor
Urins Position als Direktor steht jedoch auf wackligen Füßen. Offenbar hat der russische Präsident Wladimir Putin dem Dirigienten Valery Gergiev angeboten, das Bolschoi-Theater zu übernehmen. Die Stadt München hatte Gergijev, der als Freund Putins gilt, als Chef der Münchner Philharmoniker entlassen. Würde jemand wie Valery Gergijew mit seiner Nähe zu Putin eine solche Position übernehmen, könne man die Einladung nicht aufrecht erhalten, sagt John Neumeier.
Ukrainische Kinder in der Ballettschule
Auch beim Hamburg Ballett gebe es Anfragen von Tänzern und Tänzerinnen aus Russland und der Ukraine. Einen besonderen Kontakt gibt es zu 22 ukrainischen Kindern, die wahrscheinlich in die Ballettschule kommen werden. Zehn Kinder sind schon aufgenommen worden.
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