Hochmusikalischer Blödsinn: "Günther Gründgens" im Schauspielhaus
"Günther Gründgens - ein Leben, zu wahr, um schön zu sein" hat im Schauspielhaus in Hamburg Uraufführung gefeiert. Inszeniert und geschrieben hat das Stück das Regie-Duo Barbara Bürk und Clemens Sienknecht.
Wer ist eigentlich Günther Gründgens? Der große Unbekannte ist eine einzige Leerstelle. Und nein, Günther Gründgens ist nicht der vergessene Bruder von Gustaf Gründgens, dem früheren Hausherrn des Deutschen Schauspielhauses. Der wird an der lustigsten Stelle des Abends, in einer spiritistischen Sitzung, aus dem Totenreich gerufen - leider verwählt.
Die Suche geht weiter. Wie sagt es Angelika Richter so herrlich beflissen im Stück: "Über keinen Künstler wurde weniger gesprochen als über Günther Gründgens und das bis heute." Natürlich ist dieser Typ vollkommen erfunden. Aus Anlass des 50. Todestages des fiktiven Allroundgenies, Schauspielers, Sängers und Komponisten begeht ein Verein einen musikalischen Festakt.
Stück über den fiktiven Günther Gründgens
Auf der Bühne des Schauspielhauses steht noch eine Bühne mit Vorhang, das Ganze hat den Charme einer Schulaula, irgendwo in der Provinz: Alles ist "over the top" und ein bisschen billig. Schon der erste Aufritt macht klar: Dieser Abend ist ein großer hochmusikalischer Blödsinn. Wenn Clemens Sienknecht mit feinem Lächeln, Topf-Frisur, mit hochgeschlossenem Rolli und erdfarbenem Anzug sowie Damen-Slippern auf die Bühne geht und ein Feuerwerk an Rhythmen zündet.
Das Stück über den fiktiven Günther Gründgens hat die grellen Posen, Kostüme und Frisuren einer Fernsehshow der 70er Jahre, inklusive herrlich doofer Werbepausen. Michael Wittenborn liest aus einer kopierten Mappe aus dem Leben dieses Unbekannten vor, das hat Witz: "Günther Gründgens wird am 30. Februar 1899 im Auriekelstieg 5, spätere Gründgenstwiete, in Hamburg-Alsterdorf als Sohn geboren."
Gespielter Witz reiht sich an gespielten Witz
Wir erfahren, dass Günther Gründgens in den 1910ern seine ersten Gedichte schrieb, in den 20ern ein experimenteller Künstler war, in den 30er Jahren wegen der Nazis auswandern musste - dann in die USA ging. In gewisser Weise schimmert da der Nazi-freundliche Gustaf durch, wie sein Schatten. Und trotzdem bleibt die Frage: Wieso das Ganze? Denn gespielter Witz reiht sich an gespielten Witz. Aus diesen Spurenelementen wird aber noch keine Figur und auch kein guter Theaterabend, der mehr wäre als eine musikalisch hervorragende Nummernrevue.
Es entsteht kein wirklicher Fluss auf der Bühne. Der größte Charme entsteht dann, wenn der Abend still wird, wenn in der Ecke etwas umfällt, wenn ein hilfloser Blick ins Publikum nach Applaus giert: Das sind die Momente, wo man ahnt, worum es an diesem Abend gehen könnte: Nämlich um das Theater selbst, warum Theater großartig ist, weil nämlich Günther Gründgens eigentlich das Theater ist, für das sich jeder Besuch lohnt - das hätte man auch früher sagen können.
Hochmusikalischer Blödsinn: "Günther Gründgens" im Schauspielhaus
"Günther Gründgens - ein Leben, zu wahr, um schön zu sein" hat im Schauspielhaus in Hamburg Uraufführung gefeiert.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Deutsches Schauspilehaus Hamburg
Kirchenallee 39
20099 Hamburg
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