"Das mangelnde Licht": Berührende Uraufführung im Thalia Theater
Um Frieden und Freiheit geht es in dem neuen Roman "Das mangelnde Licht" von Nino Haratischwili, der in den 1990er-Jahren in Georgien spielt. Die Regisseurin Jette Steckel bringt ihn im Thalia Theater auf die Bühne.
Es fängt so unbeschwert an. Heimlich schleichen sich vier Freundinnen nachts aus den Wohnungen: "Seid ihr bereit? Willkommen im Botanischen Garten!" - und ab geht es mit einem Riesensprung in die Geschichte. Dina, Qeto, Nene und Ira wachsen in Tblissi, Tiflis, auf, in rund um einen Hof gelegenen Wohnungen. Doch schon bald ist es vorbei mit der Leichtigkeit. 1991 erklärt Georgien seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Danach gehen die Unruhen weiter. Mafiabanden beherrschen die Straßen und schon nach einem Jahr wird Präsident Gamsachurdia gestürzt. Es herrscht Chaos. Und Angst. Dina und Qeto werden Zeuginnen eines Mordes:
"Was habt ihr hier verloren? - Wir wollen nur nach Hause. - Was meinst du, Ika, sollen wir die Mädchen laufen lassen oder werden die zu Hause erzählen, was sie glauben, hier gesehen zu haben?" Bühnenszene
Sie lassen die Mädchen gegen Geld laufen - Geld, mit dem Qeto eigentlich ihren Bruder aus dem Gefängnis freikaufen wollte. Sie bricht zusammen und Dina macht ein Bild von ihr, das 2019 - Jahrzehnte später - in einer Retrospektive der Fotografin in Brüssel gezeigt wird: "Es ist schwer, Worte für die Magie der Werke Dina Pirwelis zu finden - Worte für das zu finden, was keiner Worte bedarf."
"Das mangelnde Licht": Kongeniales Bühnenbild am Thalia Theater

In dem Roman wechselt Nino Haratischwili beständig die Zeitebenen, erzählt ausgehend von Dinas Fotos die Geschichten dahinter. Jette Steckel konzentriert sich in ihrer Inszenierung weitgehend auf den Anfang der 1990er-Jahre. Doch das von Florian Lösche erdachte, kongeniale Bühnenbild verbindet beide Ebenen: Die verschachtelten, beweglichen Wände, bedruckt mit Rastern bunter Quadrate, lassen immer wieder neue Räume entstehen - auch den Ausstellungsraum. Und sie bieten eine Projektionsfläche für Fotos und die Videos von Zaza Rusadze: Dokumentaraufnahmen unter anderem von den Demonstrationen in Tblissi, dem Krieg in Abchasien.
"Es begann ein Rachefeldzug gegen die georgische Zivilbevölkerung. Man begann, die Stadt zu säubern. Häuser brannten in magisch-schaurigen Inferno, das bis zum Meeresrand leuchtete. Es gab niemanden, der die Einwohner noch hätte retten können." Bühnenszene
Gedankliche Verbindungen zwischen Georgien und der Ukraine
Worte, Bilder, die für viele im Publikum angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine erschreckend aktuell waren, wie eine Zuschauerin schildert: "Mich hat das vor diesem Hintergrund ziemlich erschüttert. Ich habe noch einmal eine neue Dramatik in das Stück, aber auch in unsere Situation hineinempfunden. Mir sind zwischendurch die Tränen gekommen, weil ich das sehr verbunden hab." Eine Georgierin sagt: "Wir haben das alles schon einmal erlebt. Das Thema ist jetzt gerade zufällig gleichzeitig mit diesem Krieg."
Im Zentrum des Abends stehen die Schicksale der vier Freundinnen. Ihr Kampf um Liebe, Freiheit, Selbstbehauptung. Maja Schöne, Fritzi Haberlandt, Rosa Thormeyer und Lisa Hagmeister sind ein fantastisches Quartett - und auch die Männer, an denen sie sich abarbeiten, die in dieser Gesellschaft das Sagen haben, lautstark, sind große Klasse. Da gibt es viele wunderbare Szenen: rührende, zarte, erschütternde, brutale. 830 Romanseiten in vier Theaterstunden - da muss vieles wegfallen, aber Jette Steckel erfasst die Essenz und kann sich auf ihr Ensemble verlassen. Viel Beifall am Ende, auch für die Autorin Nino Haratischwili. Als dann noch auf der Bühne ein Banner mit den Worten "Für Frieden und Freiheit" entrollt wird, erheben sich alle. Was für ein Abend.
"Das mangelnde Licht": Berührende Uraufführung im Thalia Theater
Der neue Roman von Nino Haratischwili spielt in den 1990er-Jahren in Georgien. Jette Steckel bringt ihn in Hamburg auf die Bühne.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Thalia Theater
Alstertor 2
20095 Hamburg - Preis:
- ab 8 Euro
