"Alice im Wunderland" im Thalia Theater begeistert Publikum

Stand: 01.11.2022 12:24 Uhr

von Katja Weise

Szenen wie diese kommen (fast) in jeder Familie vor:

Mutter: "Sag mal, hast Du Butter in den Ohren?"
Alice: "Kannst Du bitte anklopfen, bevor Du in mein Zimmer stürmst?"
Mutter: "Und was soll das werden, wenn es fertig ist?"
Alice: "Wonach sieht es denn aus? Ich räume mein Zimmer leer." aus "Alice im Wunderland"

Alice ist 13, schwer genervt von ihrer Mutter und uneins mit sich selbst. Hat sie wirklich mal diesen großen Plüschhasen geliebt? Und diese karierte Bluse? Die muss unbedingt auch weg. Etwa gleichaltrige Zuschauerinnen sagt: "Man hat natürlich solche Streitereien, wenn man älter wird" und ein Vater ergänzt: "Die Streiterei mit der Mutter war doch sehr authentisch."

Szene aus "Alice im Wunderland" auf der Bühne des Thalia Theaters in Hamburg. © Thalia Theater Foto: Krafft Angerer
Ein Mann in einem Kaninchenkostüm? Nein, ein Kaninchen in einem Männerkostüm, meint zumindest der Kaninchenmann.

Als "außerordentlich freundliche Erziehungsmaßnahme" muss Alice schließlich den kleinen Bruder Harun im Kinderwagen durch die Gegend schieben. Ein Unwetter zieht auf, sie verläuft sich und trifft auf ein wahrlich seltsames Wesen - den Kaninchenmann - ein "ausgewachsenes Kaninchen in einem Männerkostüm", wie er selbst sagt.

Überwältigende Bühnen- und Kostümbildner

Während der Unterhaltung verschwindet der Kinderwagen mit Harun. Deshalb folgt Alice dem Kaninchenmann in eine andere Welt, so will es Regisseur Birkmeir. Das geschieht allerdings wie bei Carroll durch einen Sturz in die scheinbar endlose Tiefe: filmisch fulminant umgesetzt. Was Bühnentechnik, Bühnen- und Kostümbildnerin in dieser Inszenierung bieten, ist überwältigend. Auf Feinste harmonieren hier ein aktueller Ansatz und fantastischer Bilderzauber.

Szene aus "Alice im Wunderland" auf der Bühne des Thalia Theaters in Hamburg. © Thalia Theater Foto: Krafft Angerer
Die Raupe auf dem gewaltigen Pilz raucht Wasserpfeife.

Da schwebt eine rote Königin mit einer gigantischen, von roten Luftballons in der Schwebe gehaltenen Schleppe von oben herab, sitzt eine fette, Wasserpfeife rauchende Raupe auf einem gewaltigen Pilz und es tollt die größenwahnsinnige Grinsekatze über die Bühne. Sie will wissen: "Wer zur Hölle seid Ihr?"

Alice spricht zwischendurch immer mal wieder türkisch

Thomas Birkmeir wendet diese Frage unverkrampft ins Philosophische: Wer sind wir? Was macht uns aus? Was gehört zu uns? Das muss auch Alice lernen bei ihrer wilden, ziemlich gefährlichen Reise durch das Wunderland. Alice, die zwischendurch immer wieder mal türkisch spricht, wie ihr Vater.

Am Ende Jubel im Parkett und auf allen Rängen

Meryem Öz ist eine wunderbare Alice: agil, zart, ungeheuer lebendig. Wie das ganze toll aufspielende Ensemble sprüht sie geradezu. Jubel am Ende im Parkett und auf allen Rängen. Thomas Birkmeir gelingt mit dieser "Alice im Wunderland" ein "Wunderwerk" - klug und trotz der vielen darin zu lesenden Botschaften gänzlich unpädagogisch.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 01.11.2022 | 06:40 Uhr

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