Kolumne: Gelfrisur, Jesus und ganz viel Liebe
Meine große Tochter fährt das Golfcar wie einen Sportwagen. Cool, selbstbewusst rauscht sie über den Platz. "Los, Papa steig' ein." So habe ich sie schon lange nicht mehr erlebt. Voller Lachen, ganz bei sich. Zu dieser rasanten Leichtigkeit passt ihr neuer Look. Raspelkurz wie einst Jean Seberg. Aber nicht allein deshalb sprüht diese 15-Jährige Funken. Das hat vor allem mit meinem Bruder zu tun, dem Patenonkel.
Mein Bruder ist geistig und körperlich ein Riese: robuste 1,90 Meter, Hornbrille, Gelfrisur, glasklar strukturiert. Dazu ein ganz ordentliches Handicap und tief drinnen: Herz. Meine Große kommt über eine Schul-AG zum Golf, schlägt, spielt aber ohne Euphorie bis zu unserem kleinen Familientreffen. Onkel und Nichte gehen gemeinsam über den Platz. Abschlag, Durchschwingen, Patten auf dem Grün. Und meine Große zeigt Talent - und zwar so richtig. Und sie spürt das.
Stärken heben und ans Licht holen
Denn mein Bruder, der Komplimente eigentlich nur in homöopathischen Dosen verteilt, lobt sie geradezu überschwänglich. Dass lässt sie leuchten, als sie mich mit dem Golfcar aufsammelt. Und ich spüre wieder einmal: Kaum etwas motiviert so sehr wie ein Kompliment. So wichtig solche Momente. Denn da ist ja noch die kleine Schwester, der scheinbar alles zufällt, in der Schule oder beim Sport.
Ich hau' jetzt mal einen raus und sage: Jesus war auch so ein Typ wie mein Bruder. Klar, ohne Gel und Hornbrille, aber eben mit ganz viel Herz. Jesus hat Menschen ihr Talent spüren lassen. Biblisch gesprochen: Er hat ihnen dabei geholfen, ihren Schatz im Acker zu heben. Und ich finde, genauso sollten wir miteinander umgehen. Überall. Beim Sport, in der Familie, auf der Arbeit. Die Stärken heben, ans Licht holen. Denn wer seine Talente kennt, der kann auch ... aber das wissen Sie ja selbst. Deshalb geht heute ein Herz der Liebe an meinen Bruder.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.
