Wikileaks-Gründer Julian Assange hat die Botschaft Ecuadors in London verlassen und wurde festgenommen.

Julian Assange: Leben über Tod

Stand: 04.01.2021 15:40 Uhr

Das Urteil im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange ist ein humanitärer Sieg, doch eine juristische Niederlage, meint Andrea Brack Peña.

Nur ein Argument wog für die britische Richterin Vanessa Baraitser am Ende mehr als alle anderen: Der Tod. Julian Assanges Gesundheitszustand sei so kritisch, die Gefahr eines Suizids so groß, dass eine Auslieferung an die USA nicht möglich sei, verkündete Baraitser zum Ende des Verfahrens gegen den Wikileaks-Gründer vor dem Londoner Central Criminal Court.

Ein Urteil, das überrascht und für Assange und Wikileaks einen Erfolg darstellt - jedenfalls auf den ersten Blick. Denn auf den zweiten Blick wirft die Urteilsbegründung eine deprimierende Frage auf: Mit den mächtigen USA als Gegner ist das einzige Argument, das zählt, der Tod?

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Wikileaks-Gründer Julian Assange sitzt in einem Polizeiauto und schaut aus dem Seitenfenster. © dpa picture alliance/ZUMA Press Foto: Rob Pinney

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Vieles andere spielte keine Rolle

Weder die Verfolgung durch Schweden, die jahrelange Isolation und permanente Überwachung in der ecuadorianischen Botschaft in London, die von den Vereinten Nationen als Gefangenschaft eingestuft worden sind, noch die strengen Haftbedingungen seit der Festnahme von Assange im April 2019, spielten in der Urteilsfindung eine Rolle.

Auch nicht die Tatsache, dass Julian Assange mit Wikileaks und im Zusammenspiel mit internationalen Medien schwerwiegende Kriegsverbrechen enthüllte. Morde an unschuldigen Zivilisten, die im Verborgenen begangen wurden und im Verborgenen bleiben sollten.

Journalisten und Whistleblower in Gefahr

Bis zu ihrem letzten und entscheidenden Satz verfolgte Richterin Baraitser das Narrativ der US-Kläger: Julian Assange habe geholfen, wichtige Dokumente zu stehlen, er habe dabei die Grenzen des journalistischen Arbeitens überschritten. Menschen seien durch diese Veröffentlichungen in Lebensgefahr geraten. Die USA, die Assange und Wikileaks als "feindseligen Nachrichtendienst" bezeichnen, setzen sich so in der juristischen Argumentation durch.

Das macht aus dem 04. Januar 2021 ein historisches Datum für Investigativjournalisten und Whistleblower auf der ganzen Welt: Der Versuch, mit Hilfe geheimer Dokumente Verbrechen auf staatlicher Ebene aufzudecken, kann in Verfolgung enden. Bei der zuletzt nur ein humanitäres Argument bleibt: Leben über Tod.

Die USA haben jetzt 14 Tage Zeit, um gegen das Urteil Berufung einzulegen. Unterdessen wollen die Anwälte von Julian Assange beantragen, ihn auf Kaution freizulassen.

 

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ZAPP | 04.01.2021 | 15:00 Uhr

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