Stand: 29.12.2019 11:03 Uhr

Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer

von Martina Gawaz

Eine lachende Frau im Portrait. © NDR
Heide Sommer blickt gern auf ihre Zeit als Sekretärin zurück.

Ganz hinten aus dem Keller holt Heide Sommer, geborene Grenz, die alte Schreibmaschine, abgedeckt mit einer Schutzhülle, seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt. Wie der Kugelkopf gewechselt wird, daran erinnert sich die elegante Dame nicht mehr. Seit Jahrzehnten steht die rote Maschine verstaubt in ihrem Keller. "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein hatte sie ihr in den 1970er-Jahren geschenkt. Mehrere Tausend Seiten Papier hatte sie darauf getippt.

Eine Podiumsdiskussion mit Folgen

Angefangen hat alles mit einer Veranstaltung in Hamburg: Mit 22 Jahren nimmt Heide Grenz Anfang der 1960er-Jahre in Hamburg an einer Podiumsdiskussion des Journalisten Theo Sommer teil, dem späteren Chefredakteur der "Zeit". Dieses Erlebnis wird ihr ganzes Leben beeinflussen. Sie war hellauf begeistert von ihm - und von der "Zeit". Für die junge Frau war schnell klar, dass sie für die berühmte Wochenzeitung als Sekretärin arbeiten wollte. Das Vorstellungsgespräch führte Marion Gräfin Dönhoff, die "Grande Dame" der renommierten Zeitung. Zehn Minuten nahm sie sich für das Gespräch Zeit: Schreibmaschine, Steno, Fremdsprachen. Heide Grenz, aufgewachsen in einer Musikerfamilie, hatte einiges vorzuweisen. Den Job hatte sie schnell in der Tasche. "Aber pünktlich Feierabend, das gibt es hier nicht, darauf können Sie sich gleich einstellen", diesen Hinweis gab ihr die Gräfin mit auf den Weg, erinnert Heide Sommer sich mehr als 50 Jahre später an das Vorstellungsgespräch.

Hektischer Redaktionsalltag

Ein schwarz-weiß Foto, auf dem Männer und Frauen an einem Tisch sitzen und lachen. © NDR
Redaktionskonferenz bei der "Zeit" Anfang der 60er Jahre.

"In der zweiten Reihe wirken, sich zurücknehmen und trotzdem etwas bewirken. Vielleicht kann das auch nicht jeder. Ich kann das", erzählt sie heute lachend. Im Politikressort von der "Zeit" wartete viel Arbeit auf sie. Kalter Krieg, Ostpolitik, das Verhältnis zur Nato: Sie kam in der anspruchsvollen, intellektuellen Welt gut klar. Die Redaktion war damals fast eine reine Männerdomäne: Whisky trinkende Herren mit großen Egos. Ziemlich schnell verliebte sie sich mitten im stressigen Redaktionsalltag mit Anfang 20 in Theo Sommer, Star-Redakteur bei der "Zeit", viel auf Reisen und als Journalist schon in den 1960er-Jahren sehr gefragt. Sie versuchte auf Distanz zu gehen, arbeitete in England und in der Schweiz, denn eine Liaison mit dem zehn Jahre älteren, bereits verheirateten Mann erschien ihr damals unmöglich. Anfang der 1970er-Jahre heirateten sie dann doch und bekamen zwei Söhne. Als Heide Sommer wechselte sie zum "Spiegel". Hier ging sie direkt in die Chefetage als Sekretärin mehrerer bekannter Blattmacher, wie Günter Gaus und Rudolf Augstein.

Viel auf Reisen

Sie unterstützte Augstein auch, als er 1972 für die FDP in den Bundestag wollte. Heide Sommer organisierte den Wahlkampf mit. Lange Arbeitstage waren keine Seltenheit, so wie es Marion Gräfin Dönhoff ihr zu Beginn ihrer Laufbahn prophezeit hatte. Aber Heide Sommer war auch auf Partys unterwegs, plauderte mit US-Präsident Jimmy Carter und dem Bundesaußenminister Walter Scheel beim "Spiegel"-Empfang. Sie trug ein Kleid aus japanischer Seide, das heute noch in ihrem Schrank hängt. Den Stoff hatte Theo Sommer ihr aus Japan mitgebracht.

Heide Sommer hat jetzt ein Buch geschrieben. Der Titel: "Lassen Sie mich mal machen. Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer." Heute lebt sie in Wacken (Kreis Steinburg), fährt aber mit 79 Jahren mehrmals in der Woche nach Hamburg, arbeitet für den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Die "geniale Zweite", sagt Heide Sommer über sich selbst. "Wunscherfüllerin" sei sie auch gewesen, sagt sie, aber immer mit eigenem Kopf.

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Schleswig-Holstein Magazin | 29.12.2019 | 19:30 Uhr

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