Die Rostocker Basketballer Chris Carter (l.) und Till Gloger. © IMAGO / Eibner

Rostock Seawolves: Bald die "Geilsten im deutschen Basketball"?

Stand: 10.10.2022 09:16 Uhr

Die Rostock Seawolves haben ihr erstes Spiel in der Basketball-Bundesliga selbstbewusst gewonnen. "Wir sollten unsere Ziele erst mal kleiner stecken", mahnt Club-Boss André Jürgens - träumt im NDR Sportclub aber doch schon von der Meisterschaft.

von Andreas Bellinger

Sie sind gekommen, um zu bleiben. Das Motto ist klar - und wie ernst es den Rostock Seawolves damit ist, haben sie prompt beim 85:80-Premierensieg in der Basketball-Bundesliga am Sonntag gegen Ulm hinterlegt. Ein bisschen Lampenfieber war dabei - natürlich.

Aber auch das Selbstbewusstsein, den 3.764 Fans in der Stadthalle der Ostseestadt einen heißen Kampf mit Happy End zu bieten, der auch Club-Boss André Jürgens den Atem raubte. "Der Druck war riesig", sagt er. Zwischendurch habe er schon befürchtet, dass es bei neun Punkten Rückstand doch nicht reicht. Aber dann kam Aufstiegsheld Tyler Nelson und brachte den frechen Neuling mit einem Dreier zurück ins Spiel.

Tyler Nelson - der Mann für die wichtigen Dreier 

"Da sind die Gefühle übergeschwappt", erzählt Jürgens im Sportclub des NDR und hält wenige Stunden nach dem erfolgreichen BBL-Debüt kurz inne. Ein Gänsehaut-Feeling vielleicht, gleichsam dem vor fünf Monaten in Jena, als ein ebenso perfekter Nelson-Dreier in der Schlusssekunde durch den Korb flutschte, den 77:76-Sieg perfekt machte - und unbeschreibliche Euphorie über den ersten Bundesliga-Aufstieg der Clubgeschichte alle elektrisierte.

Der umworbene Shooting Guard aus den USA kann sich an den Bildern noch immer selbst kaum satt sehen. "Jeder Basketballer hat diesen Traum, diesen einen wichtigen Wurf zum Sieg zu treffen", sagt er. "Damit habe ich wohl Geschichte geschrieben."

Jürgens: Eingespieltes Team als Vorteil

Nelson, der mit 16,8 Punkten pro Partie ein Garant für den Aufstieg war, ist einer von acht Profis im Kader, die den Rostockern treu geblieben sind. Neu sind der aus Braunschweig stammende BBL-Routinier Dennis Nawrocki (Giessen 46ers) sowie die talentierten US-Amerikaner JeQuan Lewis (BC Kalev Tallinn), Selom Mawugbe (Santa Cruz Warriors) und Derrick Alston Jr. (Salt Lake City Stars), der sich in der Vorbereitung als treffsicherster Spieler erwiesen hat und nach drei Minuten die ersten Punkte für die Seawolves in der Bundesliga markierte.

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"Unsere Philosophie ist ein eingespieltes Team", so Jürgens. "Gerade zu Beginn der Saison kann das ein Vorteil sein, wenn die anderen noch ihr Gefüge suchen. Heute hat es schon mal geklappt."

Vater und Sohn Held als Trainergespann

Einig waren sich Jürgens und der Sportliche Leiter Jens Hakanowitz ("Wir wollen uns da oben festbeißen und unsere Erfolgsgeschichte fortschreiben") auch in puncto Trainer-Team, das im deutschen Basketball als einmalig angesehen werden darf. Vater und Sohn Held bestimmen nach dem Abgang des früheren Bundestrainers Dirk Bauermann seit der Saison 2020/2021 die Geschicke des Teams. Der 34-jährige Christian Held als Cheftrainer, Vater Ralph (64) als sein Assistent, der sich zudem nachhaltig um den Seewölfe-Nachwuchs kümmert.

Head Coach Held: "Ziel ist der Klassenerhalt"

Ungewöhnlich? Sicherlich. "Ich habe jemanden gesucht, der mir offen und ehrlich das sagt, was er denkt, und nicht das, was ich hören möchte", sagte Held Junior einmal dem NDR. Dass der Emporkömmling erst einmal kleine Brötchen backen muss, wissen alle in der Hafenstadt an der Mecklenburger Ostsee - und es stört auch niemanden.

Der Respekt vor den Gegnern in der BBL sei groß, was aber nichts daran ändere, dass "wir in jedes Spiel gehen, um es zu gewinnen", so der Head Coach. "Allein aus Respekt vor den etablierten Organisationen kann unser Ziel nicht mehr sein als der Klassenerhalt."

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Jürgens - vom Hallensprecher zum Club-Boss

Das weiß auch Jürgens: "Unser Weg in die Erste Liga war weit. Jedes Spiel wird eine Herausforderung. Aber wenn die Hochkaräter nach Rostock kommen, wollen wir ready sein." Und erfolgreicher als in der Vorbereitung bei den Niederlagen gegen Meister Alba Berlin und die in der BBL schon etablierten Hamburg Towers.

Der 45-Jährige lebt mit und für die Seawolves. "Ich bin mit dem Verein groß geworden", erzählt er im Sportclub. Spieler war er, wenn auch mit überschaubarem Erfolg, Trainer, Hallensprecher und Schiedsrichter - bis hin zur Bundesliga. "Das vermisse ich sehr." Aber langweilig wird der Job bei den Seewölfen für ihn so schnell nicht werden.

Finanziell im unteren Drittel der Liga

Der Verein, der nach der Umbenennung in Rostock Seawolves so richtig reüssierte, hat ein modernes Trainingszentrum gebaut. Marketing, Akquise und Betreuung der Sponsoren und nicht zuletzt die steten Verhandlungen mit der Stadt, die für die Nutzung der Stadthalle mit ihren 4.500 Plätzen pro Spiel 13.500 Euro haben will, fordern den ganzen Chef. Es ist viel Geld für die Basketballer angesichts der Aufgaben im Nachwuchsbereich und der sozialen Vorhaben, wie Jürgens betont.

"Wieso sollten wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht die Geilsten im deutschen Basketball sein?"           Seawolves-Sportchef Jens Hakanowitz

Der Etat von fünf Millionen Euro erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerade üppig, zumal der Erste Vorsitzende betont, dass der gemeinnützige Verein davon alles bezahlen müsse. "Im Ligavergleich gehören wir zum unteren Drittel. Es ist eine große Herausforderung."

Ein Duo, das sich gut ergänzt

Die Verhandlungen mit der Stadt stocken gerade - die Energiekrise schwebt auch über den Seawolves wie ein Damoklesschwert. Aber: "Derzeit bauen sich hier noch keine Ängste auf. Wir sind als Verein in der Vergangenheit sparsam mit Energie umgegangen und werden auch weiterhin mit Bedacht handeln." Jürgens scheut sich nicht, selbst Hand anzulegen. Wie vor der Bundesliga-Premiere, als er gemeinsam mit Sportchef Hakanowitz ein neues Parkett auf dem Hallenboden verlegt hat.

Hakanowitz, der frühere dänische A-Nationalspieler, ist als Spieler 2014 mit den Rostockern in die dritthöchste Spielklasse aufgestiegen und beschreibt das Erfolgsrezept der beiden Macher augenzwinkernd so: "André ist eher der: Muss das sein? Und: Schuster bleib bei deinen Leisten. Ich bin der: Komm, jetzt machen wir noch dies, jetzt machen wir noch das. Ergänzt sich ganz gut."

Vierjahresplan: Geht es bald in die Play-offs?

Die Rostocker müssten sich nicht verstecken, sagt Hakanowitz, weder mit der Halle noch mit den Fans - und erst recht nicht mit ihrem Team. "Wieso sollten wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht die Geilsten im deutschen Basketball sein?", fragt er. Keine utopische Perspektive, meint auch Jürgens, der zwar bremst ("Wir sollten unsere Ziele erst mal kleiner stecken"), dann aber mutig auf den aktuellen Vierjahresplan verweist: "Vier Jahre in der dritten Liga, vier Jahre in der zweiten und jetzt in der Bundesliga. Warum sollten zeitnah nicht die Play-offs möglich sein - und vielleicht spielen wir irgendwann auch mal um die Meisterschaft."

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 09.10.2022 | 22:40 Uhr

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