Ein Tennisball steckt in einem Gitter fest. © COLOURBOX Foto: leisuretime70

Prozessauftakt nach Missbrauchs-Vorwürfen gegen Tennis-Trainer

Stand: 12.02.2023 16:36 Uhr

Ein Tennis-Trainer aus dem Hamburger Umland steht ab Montag vor Gericht: Vorgeworfen wird ihm der sexuelle Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 40 Fällen. Aber nach Recherchen des NDR ist die Liste seiner Vergehen viel länger.

Demnach hat der mutmaßliche Täter Joachim J. den Sport immer wieder dazu genutzt, um sich an jungen Frauen und Mädchen zu vergehen. Und das über 40 Jahre lang - also in seiner gesamten Trainerlaufbahn. Der mittlerweile Mittsechziger konnte weitermachen, obwohl viele davon wussten, Betroffene Anzeige erstatteten und der mutmaßliche Täter sogar schon mal vor Gericht stand. Passiert ist aber lange nichts.

"Ich habe versucht, viele zu erreichen: Trainer, Funktionäre, Eltern. Keiner hat mir geglaubt, ganz im Gegenteil: Ich wurde beschimpft.“ Opfer "Susanne"

J. war stets beliebt und hatte den Ruf, junge Talente gut ausbilden zu können. Doch immer wieder berichteten junge Mädchen und Frauen, dass sie missbraucht worden seien. Nach mehreren Anzeigen kam es einmal zu einem Vergleich, ein anderes Mal wird ein Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Dass J. sich nun nach so vielen Jahren vor Gericht verantworten muss, bewegt die Opfer.

"Hoffentlich war das der letzte Fall"

So wie "Susanne", die eigentlich anders heißt. "Für mich ist es sehr wichtig, dass er angeklagt ist und vielleicht verurteilt wird", erklärt sie. "Das heißt nämlich, dass er darüber nachdenken muss, dass alle Bescheid wissen, sich vorsichtiger verhalten und ihm keinen Raum mehr geben. Damit so etwas nicht noch mal passieren kann. Dass das hoffentlich der letzte Fall war. Das wäre mir sehr wichtig."

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Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht Norderstedt

Ab Montag geht es vor dem Jugendschöffengericht Norderstedt nun um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer minderjährigen Schutzbefohlenen in 40 Fällen. Und in einem Fall um sexuelle Belästigung. Die Betroffene ist erst im vergangenen Jahr volljährig geworden. Die Ermittlungen geleitet hat die Kieler Staatsanwaltschaft. Auslöser für den Prozess war ein Übergriff in einem Tennis-Trainingslager in Bulgarien 2020. Das Strafmaß für die Taten geht von drei Monaten bis fünf Jahren Gefängnis. Ein Urteil will das Gericht am 22. Februar sprechen.

Dass Joachim J. überhaupt noch als Betreuer nach Bulgarien mitfahren konnte, macht Susanne fassungslos. Sie hofft nun, "dass er eine gerechte Strafe bekommt, dass er sich eingesteht, was er getan hat". Aber was wäre eine gerechte Strafe? Da muss Susanne überlegen: "Ich kann das gar nicht so genau sagen. Ich gehe von vielen Mädchen-Seelen aus, die sehr verletzt wurden und vielleicht nie ein ganz normales Leben führen können. Die Strafe sollte dementsprechend hart sein, damit er nirgends Fuß fassen kann und so etwas noch mal jungen Mädchen antun kann."

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Das "Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch" ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.

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Blick in eine Sportumkleidekabine mit offen stehender Tür © picture alliance / PHOTOPQR/VOIX DU NORD/MAXPPP | PHILIPPE PAUCHET

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 12.02.2023 | 22:50 Uhr

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